Mittwoch, 25. Januar 2017

Dass hier mal wieder etwas passiert



Eigentlich wollte ich das ganze als Kommentar posten, allerdings sind dort die Layoutmöglichkeiten stark beschränkt, deswegen habe ich mich für einen eigenen Post entscheiden. Ihr könnt das gerne ändern, verschieben, löschen, wenn das jemanden stört. 

Ich habe mich vor kurzem mit dem Autor Christoph Magnusson über den neuen, starken Ich-Erzähler unterhalten. 
Schnell waren wir uns einig, dass der nahe Ich-Erzähler mal so gar nichts neues ist. Die Vorteile dieser Erzählart liegen mMn in starker Nahe zum Beschriebenen und einer automatisch etablierten Authentizität, die oft auch in der Person des Autors mit gebracht wird. Einerseits kann man das dann als realistisch und sehr mutig vom Autor bezeichnen, anderseits kann es auch als ein bisschen billig empfunden werden, sich die Arbeit eine stringente Figur einzuführen einfach zu sparen, indem man ein schon medial/gesellschaftlich bekanntes Bild nimmt. Außerdem schränkt es das zu Erzählende stark ein, da ein - wenn auch nur so wahrgenommener - Bruch mit der Realität das Konzept ins Wanken bringt. Ich, ganz persönlich, liebe die Freiheiten, welche Literatur ermöglicht und liebe es mich mit deren Regeln nicht nach Wahrheit richten zu müssen. Oder gar der Realität, wie sie nur aus meinem Blickwinkel existiert. 
Ebenfalls sind wir über ein gekommen, dass das Gerede über den großen Ich-Erzähler lediglich auf der "Analyse" eines einzelnen beruht und solche Trends - hier bin ich mir gar nicht sicher, ob von einem solchen gesprochen werden kann: er nennt 3! Autoren - so schnell schwinden, wie die Printauflagen von Literaturzeitschriften. Alles in allem: Schreib die Erzählperspektive, die zu deiner Geschichte passt, für Trends, von denen du gehört hast, bist du zu spät dran ;)....

Jetzt habe ich mir nochmals deiner Geschichte angenommen. Heftiges Thema und, sollte ich jetzt Gefühle verletzen bzw. Sachen kürzen, die aus persönlicher Sicht unerlässlich sind, tut mir das leid. Ich versuche mich nun rein darauf zu konzentrieren, die literarische Qualität des Textes zu verbessern, also Potentiale freizulegen und den Fokus - für den Leser - auf die Stärken des Textes zu richten. 

Toskana


Sofort waren das Morgenlicht, die uralten Felder und die toskanischen ( schon durch Überschrift klar)  Hügel zerrissen ( Metapher funktioniert auf Bildebene schwer, da Licht nicht materiell ). Da war nur noch  ( du hast davor Landschaft beschrieben; "zerrissen teast 2 Sachen an, dann ist nur noch überflüssig) das tote Kind und meine weinende Schwester. Ich trug noch immer meine verschwitzten Laufsachen und diese schwarze Leere, die seit einigen Tagen zu schwinden begann, war wieder da. Schwer und unaussprechlich. (Kontrast so stärker; Joggen wird nie wieder erwähnt; Leere, die sogleich wieder relativiert wird -> wenig stark; bleib im Moment )Unten kochte Stella Kaffee. Wie jeden Morgen. Wie schon Jahre zuvor, als ich hier immer glücklich war. TEMPUSWECHSEL, wieso, es folgt kein Höhepunkt; ich würde alles in Präsens schreiben Ich sage es ihr. Worte umschreiben einen Sachverhalt. (komplett unetablierte Erzählerstimme; zerstört die Nähe und Stimmung) Sie schaut verständnisvoll, wie sie es immer schaut. Aber ein Mensch kann das Unsägliche nicht verstehen und ich überlege, meinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen, indem ich mich heulend auf dem roten Boden wälze. So wie ich auf den letzten Beerdigungen fantasierte, mich schreiend in das Grabloch zu stürzen. +
Stella wird es Arwed erzählen. Ich werde das Unsägliche kein zweites Mal aussprechen. Sie sollen verstehen, dass es ein Wunder ist, dass wir hier sind. Dass wir nur einen Tag toben und weinen werden. Dass wir die angepasstesten Menschen der Welt sind. Aber da ist nichts als die lähmend schöne Landschaft und das Grauen, das zur Stunde 700 Kilometer entfernt zu Hause weiter tobt.  (Satz davor als Ende viel stärker, das ist so ein Rönnefehler: guter Satz, dann nach 3 Nachschübe bis es zu hässlichem Brei wird)
Ich werde darüber schreiben wie mein Großvater fast gestorben wäre. Aber es wird nur ein müdes, längst vergangenes Unheil  Unsägliches ( wenn du dich schon für diese außergewöhhnlich Wort entschieden hast, dann ziehs auch durch) im Vergleich zur Gegenwart sein. Weltkrieg hin oder her, der Krieg, die Toten haben meine Familie längst zersetzt. 
L. flüchtet sich in ihre Handywelt und sie fügt sich erschreckend in das Muster der heiteren, unbedarften Mädchen, die ich in meinen Stürmen gesucht habe. Ihr braucht man nichts vom Tod erzählen. Sie ist eine junge Mädchenblüte und kein Schatten auf ihr außer meiner. 
Bald werde ich Ronja von Rönne wiedersehen und sie wird nie erfahren, dass sie mich nur als Kriegsversehrten kennenlernte. Und ich denke darüber nach, ob es ihr egal ist, oder ob sie etwas von L. unterscheidet. Vielleicht alles.   ( hier wird ein absolut neues Thema aufgemacht; L. ist nicht etabliert, wer ist sie. Die Rönne passt nun wenig zu solch tragischen Fällen )


Die dichte Atmosphäre und die Nähe zum schlimmen Erlebten gefallen mir hier sehr gut. Ich denke, der Text wird stärker, wenn man sich hierauf konzentriert. Vielleicht kannst du noch, wie du angefangen hast, die Reaktionen anderer hinzufügen (L.), aber dann musst du dir hierfür mehr Raum nehmen

Ich hoffe, so etwas ist hier gewünscht. 
Fabi

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank, Fabi! Textgespräch online mit Lektorat - hab ich auch noch nie gemacht. Vor allem beim technischen (Tempuswechsel) brauch ich immer jemanden von außen, der sowas bemerkt... Du hast natürlich die richtigen Sätze rausgestrichen - die ich teils wieder einfügen würde, falls ich das große Ganze einmal aufschreiben sollte. Und der Name Ronja fiel nicht wegen Namedropping, sondern weil ich in dieser turbulenten Zeit gerade ihre Lesung organisiert hatte - was ein irres Unterfangen ob der Begleitumstände war.
    Noch eine Frage: Wer sind denn die drei starken Ich-Erzähler? Knausgard, Meyerhoff und... ?

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