tag:blogger.com,1999:blog-87066702507314999102024-02-07T05:46:16.544+01:00Die SchreibbohémeDas Moleskine war das Notizbuch der Bohéme.
Kreative und Künstler skizzierten dort Ideen, Geistesblitze, geistige Rohrkrepierer.
Wir machen es ihnen nach.Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.comBlogger17125tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-47206261615630824352017-12-03T10:31:00.000+01:002017-12-03T10:31:05.740+01:00Der Sommer ist meine Zeit2012 veröffentlichte ich mein zweites und drittes Buch an einem Tag. Während "Alkoholfrei" als Jugendbuch bei Schwarzkopf & Schwarzkopf erschien, wurde "<a href="https://www.amazon.de/Isarvorstadt-M%C3%BCnchner-Geschichte-Simone-Bauer-ebook/dp/B01N4JZWCX/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1512130253&sr=8-2&keywords=isarvorstadt">Isarvorstadt</a>" vom Unsichtbar Verlag herausgebracht. An "Isarvorstadt" habe ich jahrelang gearbeitet - eine Art "Gossip Girl" trifft "Kir Royal". Die Romane, die in München spielen, spielen in ihrem eigenen Universum aus Bars und Clubs, in denen auch Bands spielen, die nur in meinen Romanen auftreten. Aber auch reale Schauorte gibt es, wie man gleich ganz gut sehen kann. So kreuzen die Charaktere häufig für den Leser unbewusst ihre Wege - und mir macht das einen riesigen Spaß. Im Falle dieser Kurzgeschichte ist es die Mutter einer der Hauptfiguren, die als tyrannische Chefin in Erscheinung tritt ...<br />
<br />
<u>Der Sommer ist meine Zeit</u><br />
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Heute ist so ein Tag, an dem man
am liebsten zu jedem sagen würde, dass man nicht mehr hier lebt, sondern in
Chicago“, gab Edith Sabatzki bekannt und starrte mit angezogenen Beinen an die
Decke. Die schummrige Beleuchtung des <i style="mso-bidi-font-style: normal;">Café
Trachtenvogl</i> passte genau zu ihrer Stimmung, gerade hell genug, um noch die
eigene Hand vor Augen zu erkennen, aber so grunddunkel, dass man ihre
verquollenen Augen nicht erkennen konnte.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Sie fühlte sich hohl und leer.
Aufgedunsen, spröde. Etwas proletarischere Zeitengenossen hätten den Begriff
„durchgefickt“ angesetzt. Edith war einfach nur gebrochen, fertig, durch.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Ihr gegenüber saß Franziska,
deren Haut mal wieder mit ihren Augen und Haaren um die Wette strahlte. Wie
eine verdammte Heilige. Sie liebte ihren Job als Krankenschwester und ihre
Beziehung mit ihrem Freund Sören war auch die totale Erfüllung für sie.
Zeitweise war dieser Anblick ihrer besten Freundin so widerlich, dass Edith zu
ihrem Aperol Spritzz greifen musste, um große Züge zu nehmen.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Ein wenig fühlte sie sich wie
nach dem legendären hysterischen Anfall, verursacht durch ihren Streit mit
ihrem damaligen Mitbewohner, ihren ersten und einzigen, drei Wochen nach ihrem
Auszug von zu Hause. Sie hatte sich so verausgabt ob seiner Dummheit und Ignoranz,
dass sie stundenlang wach gelegen hatte. Danach war Edith für zwei Tage
obdachlos gewesen, hatte in ihrem Wagen genächtigt, bis Franziska ihr geholfen
hatte, wieder auf die Beine zu kommen. Achtundvierzig Stunden voller Angst und
einer verzweifelten Existenz. Vor drei Monaten hatte Edith nun bei Hannelore
Kleeblatt zu arbeiten angefangen. Die Furcht war seitdem ihr dauernder
Begleiter. Ein Fehler brachte ihr eine Menge Ärger ein.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Die Wut über ihre herrische
Chefin überlagerte jedoch alles, selbst die Panikattacken, die sie manchmal
heimsuchten, wenn sie neben Hannelore stand, die wild auf ihren MacPro
eindrückte und natürlich nicht schaffte, ihn zum Laufen zu bringen. Warum hatte
man eigentlich eine persönliche Assistenz, wenn man trotzdem noch auf technischen
Geräten herumdrücken wollte? Edith tippte auf puren Sadismus.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Hannelores Ausfälle waren
legendär. Die harten Worte, die laute Stimme. Die Frau eines wichtigen
Unternehmensconsultors war eigentlich eine Dame von Welt und benahm sich
gleichzeitig wie eine böse Hexe aus einem Disney-Film.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Eigentlich klang Ediths Job ganz
simpel: Besorgungen erledigen, die Pflichten im Country Club (in der deutschen
Version genauso angestaubt wie in amerikanischen Filmen) für die Kleeblatts
schmeißen, die ganzen Operntermine koordinieren, die Hannelore als Vorstand von
diesem und jenem Kulturverband zu meistern hatte. Selbst war Edith niemals in
einer Oper gewesen. Die einzigen Augenblicke, in denen Hannelore sich ihrer
Assistenz erhaben fühlte, war, wenn sie abgelaufene Dallmayr Produkte an sie
abtrat.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Ich glaube, dass ich unter
Agoraphobie leide“, flüsterte Edith mit tränenerstickter Stimme.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Ach Quatsch, das ist eine
Grünwaldphobie. Da muss man ja kirre werden, wenn man den ganzen Tag mit dieser
Ziege verbringt“, warf Franziska ein. Franziska war die gute Seele, die jeden
freien Abend für Edith da war, ob am Telefon, per E-Mail oder im Lieblingscafé
der beiden. Franziska warnte Edith ununterbrochen davor, sich in ein frühes
Grab zu arbeiten, doch Edith war wie ein Formel-1-Wagen – sie konnte nicht
stoppen. Eine Sklavin ihres Gehalts.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Weißt du noch, als ich diesen
Unfall hatte? Ich hatte etwas geweint und mein Auto war total im Arsch und das
erzähle ich ihr dann auch noch mit triefender Nase und was macht sie? Bittet
mich darum, erstmal Kaffee zu holen. Natürlich, ohne ‚Bitte’ zu sagen“, Edith schüttelte
den Kopf. Sie konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie ihr Körper nach
dem Unfall gezittert hatte. Wie sie dann bei <i style="mso-bidi-font-style: normal;">Starbucks</i> beinahe losgeheult hatte: „Sollte diese Frau jemals mit
einem Kissen erstickt in ihrem Bett vorgefunden werden, brauche ich ein echt
gutes Alibi, meine Freundin.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Weißt du, ich verstehe einfach
nicht, warum du nicht einfach gehst“, Franziska zuckte mit den Schultern, „Du
warst eine der Jahrgangsbesten, hast ein super Ausbildungszeugnis. Würde mir
meine Vorgesetzte im Krankenhaus nicht passen, würde ich wechseln.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Du kannst Krankenschwester nicht
mit persönlicher Assistenz vergleichen, Fran“, Edith fuhr sich eine dicke,
blonde Haarsträhne aus dem Gesicht.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Franziska hob eine Augenbraue:
„Ich wische meinen Patienten den Hintern ab, du deiner Chefin. Ich finde
schon.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Wie sieht es denn aus, wenn ich
schon nach drei Monaten kündige? So nimmt mich niemals ein hochkarätiger
Schauspieler … oder ein Rockstar zur Assistenz“, Edith zuckte verzweifelt mit
den Schultern, „Diese Situation ist ausweglos. Zumal mir Hannelore den Kopf
abreißt, wenn ich kündige. Sie hat schon die letzten zwei Assistentinnen binnen
kürzester Zeit weggeekelt – natürlich, ohne sich jeder Schuld bewusst zu sein.
Noch einen Wechsel wird sie nicht ertragen.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Also bleibst du lieber bei
ihr?“, Franziska rührte mit ihrem Strohhalm in ihrer heißen Schokolade.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Anscheinend. Du musst dich also
auf fünfzehn Jahre Gejammer einrichten“, Edith trank ihr Glas in einem weiteren
Zug leer und bedeutete dem Typen an der Kasse, ihr ein neues zu bringen.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„… und der leeren Versprechung,
dass du sie irgendwann umbringst“, meinte Franziska zerknirscht, „Was ich
ebenfalls nicht verstehe: Du nimmst die Arbeit ständig mit nach Hause. Sicher,
ich kann auch nicht abschalten nach einem Arbeitstag, aber du bist ständig
abrufbereit. Du hast nie Urlaub. Dafür, dass du diesen Job so hasst, machst du
ihn ganz schön leidenschaftlich.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„<i style="mso-bidi-font-style: normal;">Aber </i>…“, Edith ließ die Beine sinken und beugte sich vor, „Ich habe
mir bei meinem letzten Nervenzusammenbruch …“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„… vor zwei Wochen …“, knurrte
Franziska dazwischen.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„… Besserung gelobt und deswegen
habe ich in dieser neuen Münchner Stadtzeitung, <i style="mso-bidi-font-style: normal;">Auszeit</i>, eine Kontaktanzeige geschalten“, erklärte Edith.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Franziska hob nun beide
Augenbrauen.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Na, auf normalen Weg, in einem
Club oder so, werde ich nie einen Freund finden. Ich habe ja keine Zeit zum
Weggehen“, seufzte Edith. Franziska grinste und nickte: „Okay, was hast du
geschrieben?“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Edith wedelte mit dem Blatt,
gezogen aus ihrer Handtasche.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„<i style="mso-bidi-font-style: normal;">Jemand, mit dem ich zusammen meine Neurosen ausleben, aber mit dem ich
auch gut rumknutschen kann …</i> Editha, das klingt bezaubernd“, lachte
Franziska, „Und, wer hat sich darauf gemeldet, mein liebes Anne-Hathaway-Wannabe?“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Einen Haufen Spinner. Erst dachte
ich mir, wenn ich schon den ganzen Tag in der Arbeit mit Hannelores bescheuertem
Damenkränzchen Kontakt halten muss, warum sichte ich solche hirnlose Briefe in
meiner Freizeit?“, Edith hob die Hände flehend gen Himmel, „Aber dann ist mir <i style="mso-bidi-font-style: normal;">sein</i> Brief in die Hände gefallen. Er
heißt Sven.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Schwedische Namen sind immer
gut. Wie alt?“, wollte Franziska wissen, die immerhin mit einem Sören zusammen
war. Der sich wahrscheinlich gerade zu Hause darüber ärgerte, dass Franziska
schon wieder Ediths Therapeutin spielte.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Drei Jahre älter als ich, also
fünfundzwanzig“, Edith kramte in ihrer zerschlissenen Lehrerinnentasche, die
sie vom Flohmarkt hatte, und zog ein Bild heraus, „Das hat er mir geschickt.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Ein junger Mann, schmal, ein
fragil geschnittenes Gesicht, dazu kinnlanges, rabenschwarzes Haar und
Sonnenbrille, gekleidet in American Apparel. Franziska ließ einen
Bauarbeitermäßigen Pfiff los.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Ein Aperol Spritzz wurde vor
Edith abgesetzt. Mit roten Wangen nahm sie den ersten Schluck und erzählte
dann: „Gestern haben wir uns dann getroffen. Und er war einfach wunderbar. Wir
mögen dieselbe Musik, er ist sehr belesen und spricht vier Sprachen fließend.
Aber das Wichtigste: Er steht auf Kinderzeichentrickserien am frühen Morgen.
Sonntag gehen wir Essen! Er lädt mich sogar ein, weil er Geld hat – aber auch
nicht Hannelore-mäßig viel!“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Das klingt zu gut, um wahr zu
sein. Wo ist der Haken? Schwul, ohne dass er es weiß? Verheiratet?“, fragte
Franziska skeptisch.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Edith nahm einen weiteren,
kräftigen Schluck: „Er hat einen dreijährigen Sohn.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Oh. Daher das mit den
Kinderzeichentrickserien.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
</div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Hannelore stand am Sonntagmorgen
wie immer auf dem Golfplatz. Es war wichtig, hier schon bei Morgengrauen zu
erscheinen, an seinem Handicap zu arbeiten. Die Märzluft war eiskalt, aber es hatte
nicht wieder geschneit. Ihr Atem zeichnete sich weiß gegen die gerade
aufgegangene Sonne ab, als Hannelore den Ball ausrichtete. Sie fror nicht. Nie.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Während Edith sich über sie
ausgelassen hatte, hatte Hannelore den Freitagabend mit ihrem Mann in der Oper
verbracht. Daraufhin hatten Hannelore und ihr Mann Gunnar lange darüber
diskutiert, ob sie bei ihrer Reise in ihr Sommerferienhaus in den Hamptons eine
Woche Manhattan einlegen sollten. Gunnar war dagegen gewesen, aber Hannelore
hatte sich entschlossen, ihn solange zu bearbeiten, bis auch er Lust hatte auf
die architektonischen Meisterleistungen der Stadt, die niemals schlief, das
Guggenheim, das Met, natürlich auch das Empire State Buildung oder das Top of
the Rock.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Danach waren sie zurück in ihre
Villa in Grünwald gefahren, um uninspirierten Sex zu haben. Hannelore biss im
Gedanken daran die Zähne fest zusammen.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Charlotte hatte sich immer noch
nicht gemeldet.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Hannelore sah es gar nicht ein,
ihre Tochter anzurufen. Dieses störrische Kind sollte man nicht auch noch
pampern. Sie würde schon kommen, wenn ihr danach war oder das Geld ausging. Und
dann würde Hannelore weitersehen, ob sie ihr Zuneigung zeigen wollte oder
nicht.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Charlotte war genauso alt wie
Hannelores Assistentin, Edith Sabatzki. Natürlich war Charlotte um einiges
schöner, das lag an der Kleeblattblutlinie. Ob Charlotte klüger war, konnte
Hannelore nicht beurteilen. Sie hatte jetzt schon wieder vergessen, wo Edith
zur Schule gegangen war, wie sie abgeschlossen hatte und was sie in ihrer
Freizeit tat. Was zählte, war, dass sie in München wohnte, ein Auto besaß und
immer auf Abruf bereitstand. Was anderes interessierte Hannelore nicht.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Wenn man an der Spitze der
Gesellschaft stand, hatte das Volk wie Roboter zu agieren. Es war ein harter
Gedanke, aber Hannelore schämte sich nicht dafür. Gunnar hatte viel gearbeitet,
um jetzt mit seiner Familie in Wohlstand leben zu können. Und sie selbst hatte
genug dafür getan, um in der Schickeria anerkannt zu werden. Alle anderen, die
sich nicht so sehr ins Zeug gelegt hatten, nicht so abgebrüht waren, keine
Ellbogen hatte, hatten zu kuschen.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Hannelore war sich sicher, dass
sie ihre Trauer wegen ihrer verlorenen Tochter nicht auf ihre Assistentin
übertrag. Denn sie verschwendete nicht mal einen Gedanken an Edith, als sie an
diesem Morgen den Ball abschlug. Dafür war Edith nicht wichtig genug.
Offensichtlich.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
</div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Der Sommer ist eindeutig mehr
meine Zeit“, bibberte Edith wenige Stunden später an diesem Sonntag. Natürlich
war keiner zu erreichen, der es schaffen könnte, ihre Heizung in ihrem
Schwabinger Wohnklo zu reparieren. Auch ihr Date nicht.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Ächzend ließ sich Sven neben ihr
nieder: „Tut mir leid, dass deine Heizung kaputt ist.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Edith wusste nicht genau, wann
ihre Heizung ausgefallen war, weil sie endlich mal ausgeschlafen hatte, nachdem
sie sich in den letzten Nächten nur zum Schlafen hatte zwingen können, um den
Kopfschmerz und die Angst und die Tränen auszublenden. Sie wusste nur, dass der
Schwall Wasser, der ihr bei der Morgendusche auf den Kopf gerauscht war, eisig
kalt gewesen war. Edith fror grundsätzlich schnell, doch auch Sven war so bald
kalt geworden, dass ihnen nur ein Rückzugsgebiet geblieben war: Das warme Bett.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Du kannst ja nichts dafür. Du
hast es wenigstens versucht“, Edith lächelte, „Das ist erst unser zweites Date
und schon sind wir im Bett gelandet!“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Sven lachte. Dann wurde er ernst:
„Deine Haare sind ja noch nass!“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Tja. Sage ich ja. Der Sommer ist
mir sympathischer“, meinte Edith mit aufeinanderschlagenden Zähnen.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Komm her. Das kriegen wir schon
hin“, Sven schlang seine Arme um Edith und drehte sie in die
Löffelchenstellung. Er grub seine Nase in ihr noch feuchtes Haar: „Hmm… Das
riecht nach Litschi.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Ich sollte mich fönen“, Edith
versuchte sich zu befreien, „Dann können wir ins Restaurant gehen, da ist es
wärmer als hier. Danke, dass du vor unserer Verabredung noch hergekommen bist,
aber meine Wohnung ist ein unzumutbarer Eisklotz!“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Beruhige dich, ich find’s nicht
schlimm“, Sven hielt Edith fest, die sich unruhig drehte, „Du musst dich nicht
jetzt sofort fönen. Wir müssen nicht jetzt gleich aufbrechen. Immer mit der
Ruhe.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Edith nickte und atmete tief
durch. Sie sollte sich wirklich ein wenig abspannen.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
„Ich fahre nächstes Wochenende
mit meinen Sohn nach Österreich zum Skifahren. Magst du mitkommen? Also.
Natürlich nicht als seine zukünftige Mutter, schon klar. Aber ich … hätte dich
gerne dabei“, führte Sven aus und schnitt das Thema an, das Edith so geschickt
versuchte, zu umgehen: Er hatte jedes zweite Wochenende das Sorgerecht für den
kleinen Jonas.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Edith, die immer noch versuchte,
ruhig einzuatmen, fühlte sich erst den Erstickungstod nah, aber dann hatte sie
sich gefangen: „Sehr gerne.“<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
</div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Österreich, das bedeutete, sie
konnte getrost ihr Handy ausmachen. Wenn Hannelore jetzt etwas wollte, konnte
sie zum einen eh nicht zu ihr springen, und zum anderen zog immer noch die
Ausrede, dass ihr Handy keinen Service hatte. Sie befürchtete ausnahmsweise mal
keinen Ärger. Irgendwann war ja mal genug. Sie war auch ein Mensch. Mit
Gefühlen. Starken Gefühlen gegenüber diesen Mann mit den schwarzen Haaren … und
auch gegenüber seinen kleinen Sohnemann, egal, wie wenig sie daran geglaubt
hatte.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Der kleine Jonas rutschte mit
glücklichem Lächeln zwischen den Erwachsenen herum. Die Kälte brannte schon so
lange auf Ediths rotbackiges Gesicht, dass sie nicht mehr fror. Und überhaupt,
sie dachte gar nicht an ihre tyrannische Chefin, das erste Mal seit langem. Sie
dachte auch nicht an ihre kaputte Heizung und das Loch von Wohnung, das sie
gemietet hatte. Sich mit Jonas zu beschäftigen, hatte dieselbe Wirkung wie ein
großer, leckerer Schokokuchen. Es war unbeschwert, mit diesem kleinen Kerl Zeit
zu verbringen. Gar nicht so Angsterregend, wie sie es sich vorgestellt hatte,
als Sven ihr eröffnet hatte, dass er Vater war.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Und außerdem – Sven. Der jede
Gelegenheit nutzte, sie zu küssen, seine Nase an ihre zu reiben, ihr die Haare
aus dem Gesicht zu fahren.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Vielleicht war der Winter gar
nicht so schlimm. Dieser Winter, in dem sie zum ersten Mal verliebt war und
dieser Tag, an dem sie zum ersten Mal seit langem wirklich glücklich war.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
</div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
An diesem Samstagabend klingelte
es noch spät an der Tür der Kleeblatts. Hannelore stürmte wutentbrannt die
Treppe nach unten. Das wurde auch Zeit! Sie hatte Edith hundert Mal angerufen.
Vergebens. Sie brauchte jetzt dringend die Akte mit den Clubmitgliedern! Dass
diese natürlich in ihrem Büro lag, dort, wo sie immer lag, das interessierte
Hannelore nicht.<o:p></o:p></div>
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; text-align: justify;">
Mit einer spitzen Bemerkung auf
den Lippen für die Person draußen, riss sie die Tür auf. Sie erstarrte, als sie
bemerkte, dass diese Person nicht Edith war. Sondern Charlotte.<o:p></o:p></div>
<br />
<br />Simone Bauerhttp://www.blogger.com/profile/06839579470190145004noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-80613007075454453022017-07-05T14:01:00.001+02:002017-07-05T14:02:28.703+02:00Von Stränden und Inseln<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%; text-align: left;">
<span style="line-height: 150%;"><span style="font-size: 13pt;">Ich hab zwar nichts von Tiefschlägen und Sternstunden im Literaturbetrieb zu erzählen, aber dafür mal wieder eine Kurzgeschichte dabei, die ich heute wieder gefunden habe als ich eigentlich </span><span style="font-size: 17.33333396911621px;">Dissertation</span><span style="font-size: 13pt;"> schreiben sollte. Die Geschichte ist schon ein bisschen älter, aber ich dachte mir, ich stelle sie einfach mal zur Diskussion. Also Feuer frei und Rotstift raus. Ich hab erst mal nur den ersten Teil reingestellt, weil das Ganze sonst arg lang geworden wäre. Der Rest folgt.</span></span></div>
<div align="center" class="MsoNormal" style="line-height: 150%; text-align: center;">
<u><span style="font-size: 13.0pt; line-height: 150%;"><br /></span></u></div>
<div align="center" class="MsoNormal" style="line-height: 150%; text-align: center;">
<u><span style="font-size: 13.0pt; line-height: 150%;"><br /></span></u></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%; text-align: left;">
<u><span style="font-size: 13.0pt; line-height: 150%;">Teil 1: Milchblau<o:p></o:p></span></u></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">6 Tage Korsika. Wir gehen den Strand entlang, Füße im Meer. Da
sind Jesper und ich, Clara und Ida. Clara hat dunkle, taumelnde Locken und
sieht aus wie jemand, der bei guten Filmen an den falschen Stellen lacht und
bei schlechten sofort einschläft. Ich schaue über das Wasser. Manchmal denke ich, es müsste irgendwas
geben, da hinten am Horizont, etwas, das die Schatten auffängt, die die
Menschen werfen und dann aufs offene Meer raus treiben lassen. Sowas wie einen
Gott. Es ist seltsam, dass das Meer hier jeden Tag eine andere Farbe
hat. Es wäre leichter, wenn es einfach immer gleich wäre, wie nachts, wenn
es in der Dämmerung milchblau wird und bleibt bis es wieder hell ist. Aber tags
wechselt es ständig zwischen hellgrün und türkis und tiefblau und grau.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Vor ein paar Wochen habe ich im Hafen von Nizza einen alten
Fischer getroffen, draußen auf der Kaimauer, da wo man eigentlich nicht
hinkommt außer man balanciert die Mauer bis zum Ende und klettert über die
Absperrung. Dann kann man fast bis zum Leuchtturm laufen. Es war einer dieser
Fischer, die wahrscheinlich schon immer Fischer waren und wenn sie einen Köder
an den kleinen Widerhaken spießen ist das das Normalste auf der Welt, aber wenn
man sie ohne das alles auf der Straße wiedertrifft, erkennt man sie nicht. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Er bemerkte mich und sagte etwas auf Französisch, das ich beim
ersten Mal nicht verstand. Er sprach sehr leise und irgendwie zerrissen, er bog
die Worte so, als würden ihre Silben gar nicht zusammengehören oder als müsste
er sich noch entscheiden, ob es nicht doch ein anderes, besseres Wort gibt. So
wie alte Leute das ständig machen, mitten im Satz innehalten, vielleicht, weil
sie die Worte schon zu oft benutzt haben. Er sah mich nicht an beim Sprechen. Seine
Stimme war unaufgeregt und rau. Er sagte: „Es gibt ein altes Sprichwort unter
Fischern. Es heißt: <i style="mso-bidi-font-style: normal;">Das Meer vergibt dir
alles, wenn du nur lange genug ins Blau schaust</i>.“ Danach sagte er nichts
mehr. Ich schaute ihn von der Seite an und er blickte weiter geradeaus aufs
Meer hinaus und ich wusste, dass er sowas nicht sagt, weil es gut klingt,
sondern weil er daran glaubt. Er hatte eine Narbe quer über die linke Wange,
die fast sein Auge berührte und grobe, stark zerfurchte Hände mit denen er die
Angel hielt.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Die anderen schlafen noch. Unser Ferienhaus liegt so hoch,
dass man von oben über die Umgebung schaut: die schmale Küstenstraße, bei der
an beiden Rändern der Asphalt abbröckelt, der Streifen Pinienwald und dahinter
das Meer, auf dem morgens noch ein Dunst liegt, den die Nacht da regelmäßig
vergisst. Ich gehe runter Richtung Strand, ziehe meine Schuhe aus und laufe
barfuß weiter. Es riecht genauso, wie es früher immer im Italien roch, als wir auf
dem Weg zum Meer mit verrosteten Fahrrädern durch die Wälder fuhren. Und je
weiter wir fuhren, desto sandiger wurde der Boden und irgendwann war da nur noch
Sand und kaum mehr Bäume, wir blieben stecken und fielen lachend um und noch im
Fallen hörten wir das erste Rauschen der Wellen, die plötzlich ganz nah waren. Wenn
man sich an etwas erinnert, das lange vorbei ist, ist das immer ein bisschen
als würde man einen Stummfilm anschauen, und wenn man Glück hat, weiß man noch,
in welchem Winkel das Licht fiel, welche Farbe der Himmel an dem Tag hatte und
ob der Sand abends noch warm war unter den Füßen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Ich suche Muscheln im nassen Sand, die faustgroßen mit
Einsiedlerkrebsen, die längst ausgezogen sind, wenn man sie findet. Ich frage
mich, was mit den Krebsen passiert, wenn sie ihre Häuser zurücklassen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Es gibt Mädchen, denen man nicht entkommt. Wenn man sie das
erste Mal sieht, kann man tagelang nur noch daran denken, wie ihre Haare wohl riechen,
wenn man neben ihnen aufwacht. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Es ist noch ganz früh, halb sieben, vielleicht früher. Als
ich durch den Wald am Strand ankomme, kann ich sehen, dass da zwei sitzen, ganz
nah am Wasser, die weiße Gischt an ihren Knöcheln. Ich hinter den beiden
vorbei, setze mich hundert Meter weiter auf ein Stück Treibholz und schaue
übers Meer. Die Ebbe treibt kleine Wellen an den Strand. Ich denke an Claras
Augen, die irgendwie heller sind als alle anderen, so als würden sie von sich
aus leuchten. In meinem Kopf ist Clara eins dieser Mädchen, die einen nie
küssen, aber wenn sie es doch tun, fühlt es sich an, als könnte man endlich aufhören
zu warten, weil man ab jetzt nichts mehr verpasst.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Jesper und ich waren gestern Abend noch im Meer, gleich
nachdem wir angekommen waren. Er sagte, er hätte eine Wette gegen sich selbst abgeschlossen
und jetzt müsste er in jeden See und jedes Meer springen, egal wie kalt, und
dass er es nicht ertragen würde, gegen sich selbst eine Wette zu verlieren. Also
gingen wir schwimmen, samt Kleidung. Wir standen bis über die Knie im Wasser, hatten
unsere Hosen nach oben gekrempelt und das Wasser war unfassbar kalt. Wir sahen
uns an und fingen an zu lachen, während wir uns umdrehten und zitternd zurück Richtung
Strand liefen. Jesper und ich kannten uns davor noch kaum, aber sowas ändert sich
verdammt schnell, wenn man gemeinsam bescheuerte Dinge tut. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Als ich zum Ferienhaus zurückkomme sitzen die drei gemeinsam
auf der Terrasse und frühstücken und hören Bruce Springsteen. Nachmittags
fahren wir zusammen an einen verlassenen Strand in einer kleinen Bucht, die wir
beim Vorbeifahren von der Straße aus entdeckt haben. Ich laufe alleine ein
Stück den Strand entlang und schwimme dann so weit raus, wie ich mich gerade
noch traue und dann langsam wieder zurück. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Jesper winkt. Ich steige aus dem Wasser, gehe
zu den anderen und lasse mich fallen, zurück in den Sand, der warm ist vom Tag.
Die stillgelegten Vulkane im Rücken schließe ich die Augen zu und denke an Clara,
die zwei Meter rechts von mir liegt, weil es so verdammt schwer ist, es zu
lassen. Dann mache ich die Augen wieder auf, stütze mich auf die Ellbogen und
schaue auf die Felsen vor der Küste, Sardiniens Skizze in der Entfernung,
denke, wenn die Brandung nachlässt und ich genügend Luft übrighabe, schwimme
ich rüber und warte, bis mich jemand suchen kommt. Jesper fragt, ob alles okay
ist bei mir, weil ich so still bin, manchmal. Ich sage „klar, Mann, alles
blendend“ und setze mich auf. Irgendwer hat mal zu mir gesagt: „solange du
ehrlich zu dir selbst bist, kannst du die anderen ruhig anlügen“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Als ich mich umdrehe, sehe ich Claras Locken im Profil, die
ihr ins Gesicht wehen, und für einen Moment bin ich froh, dass sie ihr Lächeln
verdecken, weil ich mich wie ein kleiner dummer Junge darin fühle. Sie dreht
sich zu mir. Ich lächle. Wir reden. Clara sagt, sie habe Probleme mit
Entscheidungen, aber ich glaube, sie meint Anfänge. Und im Grunde sind wir uns
ähnlich, weil ich immer alles will und am Ende nichts bleibt, wofür ich mich
entscheiden kann. Ich grabe meine Füße in den Sand und erzähle ihr Geschichten
aus meiner Jugend, die allesamt erfunden sind. Ihre Augen sind weit weg, wenn
ich spreche und meine Sätze voller Schwindel und reißen irgendwann einfach ab.
Sie schaut mich verwirrt an, dann zuckt sie mit den Schultern und dreht sich zu
Ida.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Ich setze meine Sonnenbrille wieder auf, obwohl die Sonne
jetzt fast weg ist, und höre Otis Redding. Ich habe stundenlang mit Jesper
geredet, gestern Abend. Über Liebe und warum nie etwas hält, egal wie sehr man es
versucht. Er sagt, obwohl er mich erst einen Tag kennt, glaube er, ich würde
vielleicht immer mutige Sachen anfangen, weil er <i style="mso-bidi-font-style: normal;">bescheuert</i> nicht sagen will und weiß, dass die Wahrheit
vergleichsweise egal ist. Ich friere. Der Wind fährt über den Sand in meine
Augen, der Himmel sieht aus, als hätte Gott dreckige Wolkenreste
zusammengekehrt. Jesper sagt, man müsste sich öfter sicher sein im Leben, dann
gäbe es weniger Geheule im Nachhinein. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 12.0pt; line-height: 150%;">Wir fahren alle zusammen mit dem Mietwagen ins Landesinnere,
das heißt ich fahre und der Rest hat Todesangst, weil ich in Kurven gerne die
Gegenspur mitbenutze. Im Radio läuft irgendwas von Coldplay und immer wenn der
Refrain einsetzt, singt Jesper ein paar Zeilen mit. Die Straße läuft in engen Schleifen
das Gebirge hinauf und wir reden über existentielle Sachen wie Sternzeichen.
Clara sagt, sie habe gelesen, dass Skorpione entweder mit anderen Skorpionen
können oder mit Krebsen, weil Krebse viel zu nett sind, um scheiße zu sein.
Clara lacht etwas zu schrill und wenn wir uns anschauen, dann nur ganz kurz,
weil meine Blicke jedes Mal nie standhalten. Ida sitzt neben Clara auf der
Rückbank und hält Vorträge über die Gefahren von Gebirgsstraßen und zählt
Statistiken zu den häufigsten Todesursachen im Straßenverkehr auf. Ida ist
ziemlich schlecht darin, zu verstecken, dass sie unheimliche Angst hat, aber zwischendurch
lächelt sie tapfer. Jesper und ich sind uns sicher, dass sie die Statistiken alle
erfunden hat, aber wir sind uns auch einig, dass man ihr das in diesem Zustand
auf gar keinen Fall sagen kann. Irgendwann wird es still. Draußen beginnt es zu
dämmern und plötzlich schüttet es von einer Sekunde auf die nächste wie aus
Eimern. Blitze in der Ferne, die Scheibenwischer, die kaum noch funktionieren
und die Straße, die immer schmäler wird. Jesper neben mir strahlt abenteuerlustig
und sagt „Umkehren is nicht, wir sind voll auf Kurs“, packt eine Wanderkarte von
1973 aus dem Handschuhfach, murmelt willkürlich Namen von Gebirgspässen vor
sich hin und tut so, als hätten wir uns nicht seit eineinhalb Stunden gnadenlos
verfahren. Clara schweigt die meiste Zeit, hält dabei heimlich Idas Hand und
liest einen Korsika Reiseführer. Als sie einmal kurz aufschaut, sagt sie, an
der Westküste gebe es diese roten Felsen, so rot, das sähe fast schon
unnatürlich aus, die müsste man unbedingt gesehen haben, das sei einer dieser
Marco-Polo-Insider-Tipps. Ich schaue in den Rückspiegel, wir sehen uns an, dann
schaue ich schnell wieder nach vorne auf die Fahrbahn und sage nichts außer
„Schade“, weil unser Ferienhaus an der Ostküste liegt und heute unser letzter
Tag ist. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
Matthias Tononhttp://www.blogger.com/profile/01879613573941715060noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-22725272225866704222017-06-19T21:25:00.000+02:002017-06-19T21:25:29.365+02:00Erster Einbruch ins Establishement des Literaturbetriebes<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Ja, selbst ich war nicht immer ein Schreibbohéme, der coole Autor, der Titel wie "Kleinstadtrebellen" schrieb. Auch ich wollte einmal dazugehören: Zu den großen Literaten, anerkannt als echter Schriftsteller. Mit nichts im Gepäck außer der Selbstdarstellungssucht und einem Laptop reiste ich nach Schrobenhausen zu einer gewissen Lisa. Bei Lisa handelte es sich nicht um die Spargelkönigin, sondern um eine nicht weniger attraktive Sommerakademie für Schreibende, organisiert von einem gewissen Arwed Vogel. Ich kannte Herrn Vogel nicht, ich kannte keinen der Dozenten, ich wollte einfach nur dazugehören zu den Schriftstellern. Der Kurs von Norbert Niemann wäre meine erste Wahl gewesen. Niemann wohnte immerhin im Nachbardorf. Was er so schrieb wusste ich nicht. War auch egal, weil sein Kurs leider voll war. Also schrieb ich mich bei einer Ursula Krechel ein.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">In der schier unerschöpflichen Hoffnung, als sensationelles Literaturgenie entdeckt zu werden und viele junge Autorenkollegen/innen kennenzulernen, reiste ich nach Schrobenhausen. Ich denke, es ist kein großer Spoiler zu verraten, dass mein Durchbruch noch auf sich warten lässt und ich das Alter der anderen Teilnehmer - wie es mir noch viele Male passieren sollte, um einen Jahrzehntbetrag im mittleren einstelligen Bereich unterschritt.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Die Werkstatt an sich wiederum war sensationell gut. Schon nach wenigen Minuten kaufte die charismatische Schreibdozentin mir sämtlichen Schneid ab, als sie die ersten vorgetragenen Texte der Autorenkolleginnen virtuos und schonungslos in die Tonne der Belanglosigkeit pfefferte. Als es gleich im ersten Text um eine Beschreibung des "Garten meines Lebens" ging und ich mir die imaginäre Pistole des Grauens längst an die Schläfe gehalten hatte, überraschte mich Frau Krechel also mit schneidender Textkritik und der vernichtenden Beurteilung: "Dies ist keine Erzählung." Was es dem überambitionierten Nachwuchsautor nicht gerade leichter machte, hatte ich etwa was besseres in der Tasche stecken? Ich versteckte mich in der Gruppe, was nicht so schwer war, weil anscheinend alle Schriftsteller an Selbstdarstellungssucht leiden und sich die anderen weiterhin mit Begeisterung ans Schafott begaben.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Am dritten Tag stellte Frau Krechel eine an sich lapidare Schreibaufgabe, die wiederum in mir einen Schreibprozess auslöste, der mich bis heute fasziniert. Sie gab mehrere Schreibszenarien in Form eines kurzen Absatzes vor. </span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Unter anderem folgenden: </span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;"><br /></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;"><i>Der Sommer war lang und staubig, ein Sommer, in dem die verschwitzte Bettwäsche dauernd gewechselt werden musste. Oder bildete er sich das ein? Oder bildete er sich ein, er wünschte sich solche Wechsel, weil er diesen Sommer mit einem früheren verwechselte?</i></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;"><i><br /></i></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Was hättet Ihr aus der Vorgabe gemacht? Ich war mit dem Vorsatz gekommen, seriös zu schreiben, gänzlich auf alle Texte die etwas mit Subkultur, Popliteratur, Alkohol und Frauen zu tun hatte zu verzichten. Doch nach Tagen intellektueller Debatten im krassen Gegensatz zur Lebenswirklichkeit der studentischen WG in der ich in Schrobenhausen untergebracht war, begann etwas in mir zu brodeln. War es nicht die wilde, die leidenschaftliche Literatur die ich als gut empfand? Wollte ich wirklich "große Literatur" erschaffen und somit alle meine Leser die ich schätzte in ein Koma der Langeweile versetzen?</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Während eines frühmorgendlichen Laufens entlang der Paar ins "Goachad", des Naturschutzgebietes entlang der Paar, setzte sich ein Szenario zusammen, das alle Themen die mich in diesem Lebensabschnitt bewegten, beinhaltete: Ein Junge der in zwei Mädchen verliebt war, einen Sommer lang zu viel trank und nach wilden Partys am Ufer des Flusses bald beide Mädchen nicht mehr auseinanderhalten konnte: Alles verschwamm. </span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Um das Verschwimmen anzudeuten, fügte ich Ursula Krechels Satz an den Beginn jedes Unterkapitels der Erzählung. </span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Drei Stunden hämmerte ich auf meine Tastatur ein und am Nachmittag musste ich vortragen. Ursula Krechel korrigierte jedes Adjektiv das nicht treffend war und meine Niederlage episch. Es war eine schlecht dahingerotzte Geschichte. Aber es war meine Geschichte. MEINE! Und ich war verliebt in sie! Die Geschichte, meine ich.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Und das allerseltsamste war, dass nach zwei Tagen des Überarbeitens Ursula Krechel den Text gelten ließ. Keine Vernichtung, keine Tonne. Ich trug "Paartanz" am letzten Abend im illuminierten Pflegschloss von Schrobenhausen vor und fühlte mich ein erstes Mal wie ein anerkannter Schriftsteller. Und was machte der nun anerkannte Jungautor? Ging er mit Norbert Niemann und Arwed Vogel an die Bar, um über Manierismus zu plaudern? Ließ er sich von Ursula Krechel für seinen leidenschaftlichen Vortrag loben? Nein, er machte einen stillen Abgang, betrank sich erst mit dem Gratis ausgeschenkten Sekt, schaute dem intellektuellen Establishement noch eine Weile verwundert und achselzuckend zu und flüchtete schließlich mit seinen Kumpels auf das Schrobenhausener Volksfest, wo es wenigstens ein gescheites Bier gab. In der gleichen Nacht beschloss er, die "Kleinstadtrebellen" fertig zu schreiben.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Ach ja, Jahre später hat mir Arwed übrigens gesteckt, dass Ursula Krechel damals eine "literarische Begabung" in mir gesehen hätte. Da traute ich mich aber nicht mehr, ihr zu schreiben. Denn inzwischen hatte sie den Deutschen Buchpreis gewonnen und ich hatte nach Lektüre einiger ihrer Gedichte begriffen, was für ein literarisches Großkaliber der Kleinstadtrebell damals kennenlernen durfte...</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;"><br /></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;"><a href="https://www.chiemgauseiten.de/b%C3%BCcher/texte-und-kurzgeschichten/paartanz/">Paartanz zum Nachlesen</a></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Helvetica Neue", Arial, Helvetica, sans-serif;"><br /></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Helvetica Neue", Arial, Helvetica, sans-serif;">So, was waren Eure größten Sternstunden oder größten Katastrophen als Jung-Autor? Verzählt's mal! </span></div>
Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-25357182137191347642017-05-24T18:37:00.000+02:002017-05-24T18:41:43.298+02:00Mein erster Internationaler Handtuchtag<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";"><b>Mein erster Internationaler Handtuchtag</b></span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Mein Freund Alex ist Gitarrist in einer Punkband. Nach
einem seiner Krachmacher-Konzerte, saßen wir in unserer Stammkneipe auf den
fleckigen Polstermöbeln im blauen Dunst des Zigarettenqualmes.
Vermutlich hatte sich der DJ im Tabakpäckchen geirrt, als Alex sich bei den
Klängen von Aquarius plötzlich zu mir drehte und fragte: “Kommste mit zum
Internationalen Handtuchtag?”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Meine linke Skeptiker-Augenbraue zog sich unweigerlich nach
oben.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Ich war gerade dabei, die zweite Flasche Rotwein zu öffnen
und fragte schon etwas benommen: “Muss es eigentlich für alles einen
Internationalen Tag geben? Tag der Bäume – o.k., Kindertag – o.k., Kusstag –
wenn´s sein muss. Aber jetzt auch noch einen Feiertag für Handtücher?” Ich
seufzte.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Es gibt sogar einen Internationalen Tag der Jogginghosen”,
erklärt er mir.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Ach was!”, staunte ich.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Der ist am 21. Januar, der Jogginghosentag”, fügte er
hinzu.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Meine linke Skeptiker-Augenbraue wollte sich gar nicht mehr
senken. “Versteh mich nicht falsch”, lallte ich beschwingt vom Wein,
“Handtücher sind eine tolle Erfindung. Ich meine, was würde ich ohne ein
Handtuch machen, wenn ich nass aus der Dusche steige?”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Eben”, stimmte Alex zu, “und ich sag dir eins: Handtücher
sind eine der ältesten Erfindungen der Menschheit.”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Ach ja?”, fragte ich desinteressiert.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Klar, das erste Handtuch war aus Blättern und wurde von
einem Steinzeitmenschen erfunden.”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Ich nickte beeindruckt und dachte: Der Alex ist echt ein
schlaues Kerlchen. Zumindest nach zwei Flaschen Wein.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Aber eigentlich ist der Handtuchtag der Gedenktag für
Douglas Adams. Wird überall auf der ganzen Welt gefeiert, sogar hier bei uns in
der Provinz”, er schaute mich erwartungsvoll an.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Ich überlegte einen Moment und dann fiel es mir ein: “Ach,
der Typ, der “Per Anhalter durch die Galaxis” geschrieben hat?”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Genau!”, bestätigte Alex zufrieden grinsend. “Ein Handtuch
ist für jeden Anhalter absolut überlebenswichtig! Und es hat einen hohen
psychologischen Wert!”, dozierte er.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“So so”, entgegnete ich zweifelnd. Der hohe psychologische
Wert erschloss sich mir im Moment nicht. “Und was macht man an so einem
Internationalen Handtuchtag?”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Im Kurhotel bekommt man einen Pangalaktischen Donnergurgler
gratis, wenn man sein Handtuch mitbringt.”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Wow!”, entgegnete ich begeistert. “Einen Cocktail also.”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Nicht irgendeinen Cocktail”, korrigierte er mich und
zitierte mit verstellt tiefer Stimme aus dem Buch: “Der beste Drink, den es
gibt, ist der Pangalaktische Donnergurgler. Die Wirkung ist so, als werde einem
mit einem riesigen Goldbarren, der in Zitronenscheiben gehüllt ist, das Gehirn
aus dem Kopf gedroschen.”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Ich kicherte albern: “Hört sich ja verlockend an, so ein
Goldbarren auf dem Kopf!”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Also stießen wir mit der nächsten Flasche Wein auf alle
Weltraum-Reisenden und den Pangalaktischen Donnergurgler an, den wir uns am
nächsten Samstag und zwar dem 25.Mai gratis genehmigen würden. Auf dem Heimweg
streckten wir albern lachend unsere elektronischen Daumen in die Luft, in der
Hoffnung, dass uns ein Raumschiff mit irren Außerirdischen auflesen würde.
Dabei grölten wir aus voller Kehle „Völlig losgelöst von der Erde schwebt das
Raumschiff“ und „Ich düse, düse, düse im Sauseschritt“…</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Am nächsten Samstagnachmittag stand ich im Bad vor dem
Spiegel und überlegte: Hatte er gesagt, dass ich das Handtuch nur mitnehmen
soll, oder musste ich es mir umbinden? Meine Erinnerungen an die
Krachmacher-Nacht waren nur noch vage. Wenn ich mir das Badetuch über die Jeans
und die Bluse band, sah das etwas seltsam aus. Aber um den Hals gelegt war es
auch nicht besser. Immerhin musste ich ein ganzes Stück durch die Stadt gehen.
Ich könnte das Tuch natürlich einfach in meine Handtasche stecken und erst kurz
vor dem Eingang des Kurhotels rausholen. Aber vielleicht traf ich ja in der
Stadt noch andere Handtuchträger? Dann würde ich die Science Fiction Fans
gleich erkennen, sinnierte ich und probierte verschiedene Varianten aus. Was
trägt man bloß zu einem Handtuch? Eigentlich nichts. Man bindet es sich nur um,
wenn man nackt ist, überlegte ich. Aber nackt durch die Stadt gehen, nur mit
einem Handtuch bekleidet? Ich versuchte Alex zu erreichen, aber sein Handy war
ausgeschaltet. Ach, was soll´s! Dann eben nackt. Das Handtuch war schließlich
groß genug, um es mir umzubinden und die entscheidenden Stellen knapp zu
verhüllen. Und welche Schuhe? Zum Handtuchlook würden Badelatschen besser
passen, aber mit diesen alten Latschen in der Bar des Kurhotels? Da kamen mir
doch Zweifel. Also wohl besser die neuen High-Heels. Noch schwieriger als die
Schuhfrage war allerdings die Frage nach der passenden Handtasche. Was trägt
frau bloß zum Zebrahandtuch?</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Kaum zwei Stunden später, nach reiflichen Überlegungen vor
dem Spiegel zum passenden Outfit, verließ ich meine Wohnung also im
Zebrahandtuch, schwarzen Stöckelschuhen und einer weißen Lederhandtasche von
Gucci. Für einen Tag Ende Mai war es erstaunlich kalt und regnerisch. Statt der
Handtasche wäre ein Regenschirm besser gewesen. Ich war mit Alex in einer
halben Stunde im Hotel an der Bar verabredet und lief selbstbewusst los. Einige
Passanten warfen mir merkwürdige Blicke zu, als ich in meinem Anhalter-Look
durch die Fußgängerzone stolzierte. Ich hielt Ausschau nach anderen
Handtuchträgern, konnte aber niemanden entdecken. Ein kleines Mädchen rief:
“Mami, Mami, die Frau da geht schwimmen, ich will auch baden!” Die Frau zischte
dem Kind etwas zu und zog es schnell weiter. Gab es denn in der ganzen Stadt
keinen einzigen Douglas Adams Fan?</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Meine High-Heels klackerten über den rötlichen glatten
Marmorboden der Empfangshalle des Kurhotels. Zwischen den vergoldeten Büsten
und überdimensionalen Gemälden mit Stillleben an den Wänden, kam ich mir mit
meinem Zebrahandtuch ziemlich klein und irgendwie fehl am Platz vor.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">„Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Mann am Tresen der
Rezeption, während er weiter auf seinen Bildschirm starrte.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">„Na raten Sie mal“, erwiderte ich keck und wackelte
auffordernd mit der Hüfte.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Der Mitfünfziger warf mir einen flüchtigen Blick zu und
fragte: “Wollen Sie zum Psychotherapeuten-Kongress?”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Ich schüttelte den Kopf: “Nein, seh ich so aus?”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Er musterte mich nun aufmerksam von Kopf bis Fuß und wiegte
unschlüssig seinen Schädel hin und her.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Ich bin hier, weil ich einen Pangalaktischen Donnergurgler
möchte”, half ich ihm auf die Sprünge und fügte mit Nachdruck hinzu, “gratis!”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Er starrte mich nur schweigend an.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Also wedelte ich leicht mit dem Zipfel meines
Zebrahandtuchs. “Naaa?”, sah ich ihn erwartungsvoll an, “klingelt´s?”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Mmmmhhh”, machte der Mann und fasziniert stellte ich fest,
dass auch er über eine linke Skeptiker-Augenbraue verfügte, die sich nun fast
bis zum Haaransatz hob, “also der Psychotherapeuten-Kongress ist im
Nebengebäude.” Er deutete mit dem Zeigefinger über seine Schulter.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Gibt es da eine Bar?”, wollte ich wissen.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Er bestätigte das und so machte ich mich schon etwas
entnervt auf den Weg zum Nachbarhaus. Plötzlich kam mir ein Gedanke und ich
hielt inne: Gab es womöglich diesen Internationalen Handtuchtag überhaupt
nicht? War ich nur wieder auf einen von Alex Witzen reingefallen? So wie damals
in der Grundschule, als er behauptet hatte, man könnte ein Hühnerei mit der
Nachttischlampe ausbrüten. Nach drei Stunden Dauerbestrahlung, hatte mein
Kopfkissen Feuer gefangen und lichterloh gebrannt. Oder später beim
Schüleraustausch in England, als er mich überredet hatte, in einen der U-Bahn
Schächte zu klettern und mit meinem Lippenstift Unverschämtheiten über die
Queen an die Scheibe eines Wagons zu schmieren? Das hatte die erste Verhaftung meines
Lebens nach sich gezogen. </span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Vor dem Haupteingang des
Nebengebäudes stand eine Gruppe Schlips-Träger. Noch hatten sie mich nicht
bemerkt. Mein Blick fiel auf eine geöffnete Terrassentür an der Seite des
Gebäudes. Kurzentschlossen wählte ich den Weg quer durch die frisch bepflanzten
Blumenbeete, bevor die Männer auf mich aufmerksam würden. Ich versuchte
möglichst elegant nur wenige Pflanzen mit den Schuhen meiner Wahl zu
durchbohren. Um Gleichgewicht bemüht stakselte ich durch die lehmige Erde, in
die ich erstaunlich tief mit meinen spitzen Absätzen einsank, als ich plötzlich
das Gefühl hatte, ich würde beobachtet. Wie vom Blitz getroffen blieb ich für
einen Moment stehen, drehte meinen Kopf in Zeitlupe dem riesigen Panoramafenster
zu, vor dem ich stand und starrte durch die Scheibe. Gefühlte hundert Gesichter
hatten sich mir zugewandt. Ich bemühte mich in meinem Zebrahandtuch ganz normal
zu wirken, grüßte kurz mit einem leichten Nicken und versuchte dabei nicht über
die Beetbegrenzung zu fallen. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass einige der
Leute mir freundlich zuwinkten und mitfühlend lächelten.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Endlich und etwas außer Atem, erreichte ich mit
erdverschmierten Stöckelschuhen und braunen Spritzern bis an die Knie die Terrassentür.
Alex saß in Jeans und kariertem Hemd alleine in der hintersten Ecke des
Tresens. Aus seiner Brusttasche lugte ein schmaler winziger Frotteestreifen
hervor, der noch kleiner als ein Waschhandschuh war.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Wie siehst du denn aus?”, begrüßte er mich grinsend.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Halt bloß den Mund!”, rief ich verärgert und hätte ihm am
liebsten meine weiße Gucci-Handtasche um die Ohren geschlagen. Der Barkeeper
war einer seiner Bekannten und versuchte sich gar nicht erst das Lachen zu
verkneifen.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Komm, Süße, nimm erstmal einen Drink”, sagte Alex
schließlich versöhnlich und schlug mit der Hand auf die schwarze Sitzfläche des
Barhockers neben sich.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Ich will nicht irgendeinen Drink!”, entgegnete ich trotzig
den Tränen nahe, “ich will einen 1A Pangalaktischen Donnergurgler!”</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">“Bin schon dabei was auszuprobieren”, beschwichtigte der
Barkeeper. Vor sich hatte er bei verschiedenen Flaschen mit Hochprozentigem
bereits die Deckel abgeschraubt und begann die Getränke wild durcheinander zu
mixen. Nach Goldbarren mit Zitronenscheiben sah das nicht aus. Dennoch ließen
wir uns nicht lange bitten und versuchten dem Geheimnis des Pangalaktischen
Donnergurglers auf die Spur zu kommen. Wir ließen uns von der Zutatenliste aus
“Per Anhalter durch die Galaxis” inspirierten und fachsimpelten, wie das wohl
zu übersetzen sei: Eine Flasche alten Janx-Geist, ein Teil Wasser aus den
Meeren von Santraginus V, drei Würfel arkturanischen Mega-Gin (ohne dass das
Benzin darin verfliegt), vier Liter fallianisches Sumpfgras, ein Teil
qualaktinischen Hyperminz-Extrakts, ein Zahn eines algolianischen Sonnentigers,
ein Spritzer Zamphuor und eine Olive. </span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">„Die Oliven sind leider aus“, sagte der Barkeeper bedauernd.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Schon bald gesellten sich Teilnehmer des Psychotherapeuten
Kongresses zu uns. Sie schienen alle sehr verständnisvoll für Alex Ausführungen
zum Internationalen Handtuchtag zu sein und lauschten ihm mit aufmerksamen
durchdringenden Blicken, auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, ob sie die
tiefe Bedeutung dessen, was wir hier taten, wirklich ergründeten. Eine Hommage
auf Douglas Adams und alle Weltraum-Reisenden und die, die es gerne werden
wollten. Wir waren auf einer Mission!</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Später haben wir die offizielle Feier für den
Internationalen Handtuchtag doch noch gefunden. Sie fand nicht im Kurhotel,
sondern im Parkhotel ein paar Straßen weiter statt. Aber Alex und ich fühlten
uns nicht mehr in der Lage hinzugehen, weil uns so schlecht war, außerdem war
mir ein Absatz an meinen schicken erdigen High-Heels abgebrochen und wieder
einmal stützten wir uns gegenseitig nach Hause. Ich im Zebrahandtuch, für das
Alex mir vorsorglich eine Sicherheitsnadel an der Rezeption besorgt hatte,
nachdem es in einem Moment der Unachtsamkeit beinahe bis zum Boden gefallen wäre und bei einigen Therapeuten für verstärkten Speichelfluss gesorgt hatte. Alex mit
meiner weißen Gucci-Handtasche um den Hals baumelnd. Am nächsten Morgen fühlte
ich mich tatsächlich so, als hätte mir einer mit einem Goldbarren in
Zitronenscheiben gewickelt auf den Kopf geschlagen. Seitdem ist der 25.Mai als
fester Feiertag in meinem Kalender markiert.</span></div>
<br />
<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<span style="font-family: "calibri";">Und um es mit den Worten von Douglas Adams zu sagen: „Das
hier ist eine verdammt harte Galaxis. Wenn man hier überleben will, muss man
immer wissen, wo sein Handtuch ist!“</span></div>
<div style="margin: 0px 0px 13px; text-align: right;">
<span style="font-family: "calibri";">(Aus: "Alex von der Krachmacher-Band" - Meike K.-Fehrmann)</span></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhkJ2gLAK7QGjvxL-EHEboQCvBOsDAJwrTPXhjTPj-tPmarj_oV6GMx-ZEuW9JYc2S8NQwabfx0iF6EPocPO4N7Q-wGhSl5OffBSfv_xIHQXZvVuVJXeLjIiWMPzWCupcbhVsy6uY2DrgM/s1600/douglas-adams-quotes.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="263" data-original-width="580" height="145" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhkJ2gLAK7QGjvxL-EHEboQCvBOsDAJwrTPXhjTPj-tPmarj_oV6GMx-ZEuW9JYc2S8NQwabfx0iF6EPocPO4N7Q-wGhSl5OffBSfv_xIHQXZvVuVJXeLjIiWMPzWCupcbhVsy6uY2DrgM/s320/douglas-adams-quotes.jpg" width="320" /></a></div>
<div style="margin: 0px 0px 13px; text-align: right;">
<span style="font-family: "calibri";"><br /></span></div>
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<div style="margin: 0px 0px 13px;">
<br /></div>
<b></b><i></i><u></u><sub></sub><sup></sup><strike></strike>meike k fehrmannhttp://www.blogger.com/profile/12007126556645070786noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-65610720038052933682017-05-22T20:42:00.000+02:002017-05-22T20:42:04.810+02:00Die Inspirationsschreiber<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Wie entsteht eigentlich Literatur? Jaja, durch Talent und harte Arbeit. Soweit sind wir uns einig. Aber wie beginnt eigentlich Literatur? Setzt sich der Autor hin und sagt: So, die Kasse ist leer, jetzt muss ich mal wieder einen Nobelpreis gewinnen - und haut hochmotiviert in die Schreibmaschinentasten? Oder ist da doch etwas anderes: Dieser unbestimmte Funke den manche Inspiration nennen. Der manchmal etwas mit Muse zu tun hat. Oder mit Muße, die man ebenfalls haben muss. Ja, ich oute mich jetzt mal als schrecklicher Inspirationsschreiber. Letztens gestand ich während der Schreibbohéme-Krisensitzung in Würzburg auf der Brücke dem Fabi, dass ich ein miserabler Überarbeiter bin. Jemand, der fünfhundert Seiten über weingetränkte Abende auf Mainbrücken schreiben kann, aber sobald es ums Überarbeiten geht, lieber schnell noch einen zweiten Teil der Brückenschoppen-Trilogie schreibt. </span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Wer erbarmt sich also und seziert meine Texte? Ein inspirierter Autor ist ein Nichts ohne einen nüchternen Lektor. Wer rettet die Schreibbohéme?</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Aber eigentlich wollte ich ja ganz was anderes erzählen: Vor einem Jahr brachen drei Wochen im Mai über mich herein, die ich zwar nicht mal dem größten Autoren-Feind wünschen würde und trotzdem haben diese drei Wochen einen Inspirations-Schalter umgelegt, der 12 Monate später immer noch pulsierend nachwirkt: </span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Eine Melange aus einer Woche Barliano mit Arwed Vogel und den <a href="http://lesenszeichen.blogspot.de/2014/06/die-wildschweine-von-barliano.html">wilden Schriftstellern</a>, zwei <a href="http://schreibboheme.blogspot.de/2017/01/der-abgrund-in-der-literatur-durft.html">Todesfälle </a>und eine Beerdigung sowie eine <a href="http://lesenszeichen.blogspot.de/2016/06/wie-ich-dem-chiemgau-ronja-von-ronne.html">Lagerfeuer-Lesung</a> bei einem Grassauer Literatur-It-Girl (Lititgirl - (c) by me) vermischten sich in diesem unbegreiflichen Denkorgan zu einer Melange die seitdem Erzählungen am Fließband erzeugt. Alle inspiriert von den selben Ereignisse und dennoch jede für sich völlig unterschiedlich. Ein post-ironischer Pop-Erzähler, ein lethargisch-träger unzuverlässiger und einer, der zu viel Carlos Ruiz-Zafon gelesen hat. Mal will man sich zu Viert in Schwefelquellen stürzen, dann will sich eine Adelige in Mannheim von einem Obelisken aufspießen lassen und am Ende brennen jede Menge Manuskripte, weil das unzensierte Inspirations-Geschreibe ja doch das Schlimmste auf der ganzen Welt ist.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Was wollte ich eigentlich erzählen?</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Eigentlich eh nix. Deshalb hier noch ein Text, den ich geschrieben habe als ich NICHT inspiriert war:</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;"><br /></span></div>
<h3 style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Texte mit denen ich den Fm4 Wortlaut nicht gewonnen habe. Teil 2:</span></h3>
<h2>
<span style="font-family: Helvetica Neue, Arial, Helvetica, sans-serif;">Die Secession</span></h2>
"Die Leute sollen ja wie irre Gold kaufen." sagte sie weil sie nicht wusste, was zu sagen war und steckte sich eine Zigarette an. "Wenn links und rechts die Banken zusammenkrachen, heißt es, sei Gold die einzig beständige Wertanlage." Sie lachte. "Glücklicherweise betrifft mich das nicht. Und wenn ich das nötige Kleingeld hätte, würd ich mir eher einen kleinen Bauernhof kaufen. Mit Hühnern, Schafen und Ziegen. Dann kann der ganze Kapitalismus von mir aus in sich einstürzen. Sein wir uns doch ehrlich, mehr als ein Dach über dem Kopf und etwas nahrhaftes zum Essen brauchen wir doch nicht. Alles andere ist doch nur zum Befriedigen der eigenen Gier und Eitelkeit da." Er nickte süffisant lächelnd und sah sie nachsichtig an. Elia verzog das Gesicht. "Ich merk schon, du nimmst mich für nicht ganz voll. Aber glaub mir, wenn das so weiter geht, wird sich jeder wünschen, einen Bauernhof zu Hause zu haben. Und die Herren Millionäre werden ihre Goldbarren aus dem Keller holen und sich damit gegenseitig die Köpfe einschlagen um auch einen Bauernhof zu bekommen. Wirst schon sehen." Ihre Augen verwandelten sich zu Schlitzen und sie zog an ihrer Zigarette. "Sag mal, Gust, hast du eigentlich dein Kapital schon in Goldbarren umgetauscht?" sie sah ihn herausfordernd an und blies den kalten Rauch in seine Richtung. Es schwang ein stummer Vorwurf in ihrer Stimme der ihn irritierte. Aber so war sie schon immer gewesen, so hatte er sie kennengelernt und in solchen Momenten liebte er sie auf eine unbestimmte Art und Weise noch mehr. Er konnte ein zartes Lächeln nicht unterdrücken. "Meine liebe Elia." antwortete er, "Zum einen gibt es eigentlich gar keinen besseren Zeitpunkt, als gerade jetzt die so vielgescholtenen Aktien zu kaufen. Also werde ich mich hüten, wie diese anderen aufgescheuchten Hühner auf den Goldzug aufzuspringen. Das einzige Gold das ich mir gönne ist als Bestandteil meiner Uhr verarbeitet worden. Zum zweiten", fuhr er fort, "Zum zweiten geht es mir langsam aber sicher extrem auf die Nieren, dass ihr in mir nur ein wandelndes Dollarzeichen seht. Und fang bitte nicht wieder mit meiner Familie an. Du weißt genau, dass ich die Firma nicht übernehmen werde." Sie musterte ihn mit spöttischem Gesichtsausdruck. Neben der Uhr verriet seine auffällig schlampige Kombination seiner Designerkleidung, dass er wie ein Seiltänzer den Spagat zwischen zwei unterschiedlichen Welten versuchte. "Davon spricht doch auch niemand." murmelte sie mit leiser Stimme und sagte: "Weißt du, was mich trotzdem wundert?" Sie stützte ihren Kopf auf ihre Hand zwischen deren Fingern die Zigarette weiter glimmte. "Jemand wie du, der es finanziell rein gar nicht nötig gehabt hätte, findet sofort einen Verlag, landet einen Top 20 Bestseller und verdient zu allem Überfluss sogar noch an den TV Rechten." Sie sah ihn herausfordernd an: "Nicht dass ich dein Buch nicht mag. Aber schau dir den Hans an. Oder den Schöller. Die haben Texte in der Schublade, das musst selbst du zugeben, die haben Substanz, sind einfach wundervoll. Bei denen stecken Jahre an Lebenserfahrung und Weisheit komprimiert auf wenige hundert Seiten beschriebenes Papier. Seit Jahren sind die aus schierem Überlebenswillen dazu gezwungen, den Verlegern in den Arsch zu kriechen ohne auch nur den Hauch einer Chance auf eine halbwegs fair bezahlte Veröffentlichung zu bekommen." Ihre Empörung verfestigte sich in ihren weichen Gesichtszügen und sie sprach mit weit aufgerissenen Augen weiter: "Dann kommt der gut situierte Zampano aus gutem Hause daher, tauscht mit uns zwei, drei durchaus brauchbare Texte aus und was macht er dann? Wechselt von einem Tag auf den anderen seinen Schreibstil auf fürchterlichste Mainstream Belletristik, schreibt einen Liebesroman dem es zwar an Hirn mangelt, jedoch nicht an Schmalz. Denn das tropft aus allen Ecken und Kanten. Und statt diesen irrsinnigen Kitsch in einen finsteren Tresor zu sperren wo er keinen Schaden mehr anrichtet, lässt er die Beziehungen seines Papis spielen und hat innerhalb von kürzester Zeit einen bestbezahlten Buchvertrag und das halbe Land wird mit seinem Liebesschleim überschwemmt. Und da soll man nicht langsam an der Gerechtigkeit der Welt zweifeln?" Sie lachte resigniert auf und sah ihn Kopfschüttelnd an. Gust spürte, dass sich seine Brust langsam begann zusammen zu ziehen, aber er hielt ihrem Blick stand und zündete sich seinerseits eine Zigarette an. Mit Mühe setzte er erneut seinen nachsichtigen Blick auf: "Meine liebste Elia, ich werde mich bei niemandem, auch nicht bei dir dafür entschuldigen, dass ich mit meinem Buch den Massengeschmack getroffen habe. Ich richte mein Angebot halt gemäß der Nachfrage. Mein Verleger weiß das, schließlich haben wir ja ein gemeinsames Ziel. Ich will von möglichst vielen gelesen werden, er möchte möglichst viel abkassieren. Und umgekehrt." Elia verzog das Gesicht. "Sei mir nicht bös, aber die große Masse steht halt leider oft auf so richtigen Scheißdreck." "Das nennt man Demokratie." entgegnete er und grinste hilflos.<br />
Sie seufzte, warf ihre Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Sie lachte nicht. "Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass dich dein Bucherfolg zu einem noch größeren Arschloch werden lassen hat?" Mit wachsendem Entsetzen krampfte sich das Grinsen hilflos in sein Gesicht Elia verdrehte die Augen. "Ist nicht bös gemeint, aber musste auch mal gesagt werden. Wir sehen uns." sagte sie und verschwand hinter der schweren Eisentüre im Club. Gust sah der Türe zu, wie sie sich knarrend schloss und krachend im Schloss einrastete. Etwas in seiner Brust schmerzte und er wusste nicht, ob er diesen Umstand lieben oder verfluchen sollte. Dieser Schmerz hatte ihn immerhin reich gemacht.<br />
Elia war die Meisterin der schonungslosen Wahrheitsfindung. Ihre Kunst bestand darin die Schwachstellen der Menschen scharfsinnig zu entdecken und sie filterlos zu enttarnen, wenn sie die Notwendigkeit sah. Eine Seele von einer Person, die allein in ihrem Dasein das Gute aus ihrer Umwelt herausholte. Wenn dieses Gute, das sie wie eine Aura vor sich her trug, umkippte konnte sie sich zur kämpferischen Furie verwandeln und sie riss die Masken ab und Fassaden ein. Es machte ihr Wesen aus, dass sie dies tat, nicht ohne selbst entsetzt und verwundet zu sein, sich sofort mühte, die Schäden mit einem wohlwollenden Wort zu beheben oder gar sofort ihre Hilfe zum Wiederaufbau des alten Status Quo anbot. Dass ihre vergifteten Pfeile die sie gegen sein Buch schoss, direkt in eine offene Wunde traf, schmerzhaft und nie verheilt, das wusste sie nicht, konnte sie nicht wissen und sie hätte sich sonst jedes Wort verkniffen.<br />
Gust stieß einen verzweifelten Laut des Lachens aus und schüttelte den Kopf. Er war allein im kühlen Wind des kommenden Frühlings. Allein mit den Geräuschen der Stadt und dem dumpfen Bass des Clubs. Er fragte sich, ob er jemals den Mut aufbrächte, ihr die Wahrheit zu gestehen. Dieses verfluchte Buch, hätte er es doch nie geschrieben. Als sollte ihn diese Erzählung, die er wie ein Getriebener innerhalb vier Wochen in einer Eile aufs Papier gefetzt hatte, als hänge sein Überleben davon ab, bis ans Ende seiner Tage verfolgen. In Kürze würde die Verfilmung auf ORF 2 gezeigt werden und der Hype aufs Neue beginnen. Mit schierem Entsetzen dachte er daran.<br />
Dieses Buch hatte seine Zukunft auf unbestimmte Zeit pechschwarz gefärbt. Dabei entstand es in einer Zeit, die er als gut, als rein empfand und an die er sich wie an einen Rettungsanker klammerte.<br />
Es entstand vor fast einem Jahr. Über ein Internet Netzwerk hatte er nach jungen Menschen in der Stadt gesucht, die ebenfalls schrieben. Emilia und die anderen waren eine kleine Gruppe von ambitionierten aber erfolglosen Schriftstellern, die sich zwei, drei Mal im Monat in den Cafés der Stadt traf um ihre Projekte zu diskutieren. Trotz seiner selbstbewussten Art und seinem rotzigen Schmäh die ihm zu oft als Arroganz ausgelegt wurden, nahm ihn die Gruppe herzlich und vorurteilsfrei auf.<br />
Elia war das einzige Mädchen. Mit Anfang Zwanzig wesentlich jünger als er, verlor er sich sofort in ihrer naiven, liebenswerten Art, die Welt zu sehen. Die Welt wie er sie sah, war von Anbeginn von einer schwarzen Schickt überzogen gewesen und er und er auf der Suche nach seinem Platz darin. Gegensätze bestimmten seinen Weg, die Gesellschaft in die Gust hinein geboren wurde, stempelte ihn rasch zum Träumer und Nichtsnutz ab. Die Subkulturen in die er sich flüchtete, traten ihm gerade wegen seines Status entweder als heuchlerisch und anmaßend oder ablehnend bis feindlich gesinnt gegenüber. Er wurde zu einer jener verlorenen Seelen die nie wussten, ob jemand den Menschen Gust in ihm sah, oder die Firma Kaindl AG in die ihn das seltsame Roulette des Schicksals hineingeboren hatte. Zu bekannt war sein Nachname in der Stadt, dass man ihn nicht mit Geldscheinen, Smoking und fetten Zigarren assoziierte. Um den Fluch seiner Herkunft zu entgehen, begann er irgendwann, sich nicht mehr als Kaindl sondern als Klimt vorzustellen. Er behielt seine Initialen und genoss den Witz, da nur wenige Gesprächspartner den offensichtlich erschwindelten Namen bemerkten. Er wunderte sich nur, dass in dieser Stadt der Name Kaindl so bekannt war, dass man ihm den Klimt eher abnahm als den Kaindl und er sich hinter Klimt wie hinter einer Maske verstecken konnte. Elia durchschaute ihn sofort. "Verzähl kein Kas." sagte sie, als er sich mit Gustl Klimt vorstellte. "Dann bin ich die Adele Bloch-Bauer." antwortete sie. Gust lächelte und betrachtete sie hoffnungsvoll. Mit diesem einen goldenen Satz hatte sie ihn im Sturm erobert.<br />
Elia ihrerseits besah sich diesen jungen Herrn schmunzelnd. "Du schaust mich an als hättet ihr einen Außerirdischen eingeladen." Sie warf einen prüfenden Blick zu ihren Kollegen und zog anerkennend die Augenbrauen nach oben. "Fesch." sagte sie und lachte in sich hinein als habe sie die unpassendste aller Bemerkungen gemacht. "Da ist schon was Wahres dran." erklärte sie, "Einen Jungbanker hatten wir nicht erwartet." Gust sah irritiert an seiner Kleidung hinab. "Ich bin kein Banker." antwortete er verwirrt. "Das war auch nur allegorisch gemeint." sagte sie und in ihr Gesicht zeichnete sich eine warmherzige Güte. "Aufgrund des Textes den du uns im Vorfeld geschickt hast, waren alle einverstanden, dich in unsere Gruppe aufzunehmen." sagte sie und blickte wie zur Bestätigung in die Runde. "Du kannst dir ja denken, dass du nicht der einzige Schreiberling in der Stadt bist und wir unsererseits behalten uns natürlich eine gewisse Exklusivität vor." Sie lachte und ergänzte: "Nicht, dass wir das nötig hätten, aber der Satz klingt einfach zu schön." Gust stimmte in das Lachen ein und fühlte sich selig wie lange nicht. "Aber wir haben Regeln." fuhr sie fort: "Keine oberflächlichen Texte über Nichtigkeiten. Das heißt vor allem", sie sah ihn mit ihren hellbraunen Augen eindringlich an: "Himmelhochjauchzender Kitsch über die Liebe oder sonstige Banalitäten sind absolutes Tabu. Verliebt sein kann jeder und drüber schreiben sowieso und das Resultat meist Mist. Nur merkt das der Autor nie, weil Liebe bekanntlich blind macht. Du hast dieses Thema in deinem Probetext bravorös umschifft, auch ohne diese Information. Bemerkenswert fand ich, dass du scheinbar belangloses erzählst und deine eigentlichen Aussagen in Allegorien wie in einem Gemälde links und rechts des Erzählfadens versteckst. Mit anderen Worten: Willkommen in unserer kleinen aber feinen Gruppe." Als alle klatschten sog Gust die unerwartete Anerkennung wie eine Droge in sich hinein und ein unbestimmtes Gefühl begann in seiner Brust zu glimmen. Er verfing sich in dem warmen Blick des Mädchens das ihm anerkennend zunickte.<br />
Elia war ein junges Mädchen mit dunklen, wachen Augen. Ihre hellbraunen Haare hingen ihr in einem Seitenscheitel ins Gesicht, sie sah etwas jünger aus als es ihre tiefe, bestimmte Stimme vermuten ließ. Gust erkannte schnell, dass sie bis an die Grenzen der Verletzlichkeit direkt sein konnte, zugleich aber warm und versöhnlich wenn sie diese überschritt. Ein hübsches Mädchen darüber hinaus. Gesegnet mit der Schönheit der Jugend wie viele der Mädchen die Gustls Wege bis dahin gekreuzt waren. Schön und schimmernd waren sie allte gewesen und er war mit Sicherheit der letzte Mensch auf Erden der den schönen Schein verachtete. Hinzu kam jedoch eine kleine aber entscheidende Komponente die zur Folge hatte, dass sich in Gusts Leben einiges änderte. Nämlich alles: Elia war liiert mit einem sympathischen Kerl, der Gustl zwar gerne bei seinem Nachnamen, also mit Klimt ansprach, sich aber von dessen selbstverliebten Art nicht abschrecken ließ und ein guter Zuhörer war. Dennoch wäre es beim großen Nichts geblieben und außer sporadischen Treffen in der Gruppe hätte sie nichts verbunden. Wären sich beide, Gustl und Elia, nicht auf diesem Konzert zufällig begegnet. Beide waren in einer langen Schlange vor den Toiletten eingereiht. "Ich habe gehofft, dass du auch hier bist." rief sie zu ihm hinüber. "Ich wusste nicht, dass du auf Santogold stehst." rief er zurück. "Ich bin ja auch nicht wegen Santogold da, sondern weil ich pinkeln muss." antwortete sie und die Leute um sie herum lachten herzlich. Durch einen seltsamen Umstand löste sich die Schlange vor dem Mädchen WC schneller auf und Elia verschwand winkend hinter der Tür. Als Gustl schließlich über dem Pissoir stand, hatte sich ihr Name, ihre Augen, ihre dunkle Stimme und ihr herzlicher Humor endgültig in sein Herz gebrannt. "Elia." sagte er leise zu sich und sein Nebenbisler sah ihn schräg an. In diesem Moment, als er der gelben Flüssigkeit nachsah, wie sie durch den Rinnsal in einem Loch verschwand, ahnte er bereits, dass ein goldenes Zeitalter im Leben des Gustl Kaindl angebrochen war. Sein Herz hatte auf Sehnsucht umgeschaltet und er wünschte sich nichts sehnlicher als ihr irgendwo in der Halle zwischen den tausenden Menschen wieder zu begegnen. Er würde sie suchen und wenn er dabei das gesamte Konzert verpasste.<br />
Dazu kam es gar nicht. Sie wartete auf ihn auf dem Flur. Ihre Augen lächelten und sie zog die Mundwinkel leicht nach oben. "Hat gedauert." sagte sie und reichte ihm einladend die Hand. Er ergriff sie, um sich von ihr zurück in die Halle führen zu lassen, spürte ihre Selle wie sie durch ihre warme Haut in seine erkaltete Hand in seine Blutbahn übertragen wurde, dann ließ sie ihn wieder los. Wie zwei wissende über ein wundervolles Geheimnis sahen sie sich an und es bedarfte keines physischen Ausdrucks mehr, sie hatte ihn gewonnen und ihre warme Hand wurde zu seinem Sehnsuchtsfanal. Diese unausgesprochene Exklusivität die sie ihm in dieser kurzen Minute gewährte wog schwerer als die tausend Worte die er in den kommenden Wochen aufs Papier bringen sollte. Sie blieben das gesamte Konzert über zusammen, obwohl ihr Freund mit seinen Kumpel irgendwo am anderen Ende der Halle stand. Sie entschied sich für ihn, ließ seine Gegenwart für die eineinhalb Stunden des Konzerts für wertvoller gelten als die ihres Freundes. Sie traf die goldenen Worte die man sagt, um ein Herz zu erobern und er ließ sich still und schwärmend fallen in diese Illusion die in ihrer unerhörten Unmöglichkeit um so schöner war.<br />
Es begannen die großen Tage im Leben des Gust Kaindl. Wie zwei heimlich Verliebte verabredeten sich beide unter dem schönen Deckmantel der Freundschaft regelmäßig und in dieser unausgesprochenen Exklusivität war es verboten, dem anderen einen Korb zu geben.<br />
Von einer Ära spricht man, wenn ein bedeutendes Ereignis das bisherige Leben eines Menschen nachhaltig zum Besseren verändert. Bei einem goldenen Zeitalter ist es genau umgekehrt. Denn danach tritt die Dekadenz ein und es kann nur noch schlechter werden, bis es in der Apokalypse endet. Es gab einen dieser Tage an denen Gust wusste, dass er sich gerade mitten in seinem goldenen Lebensabschnitt befand. Er hatte mit Emilia einen halben Tag lang zusammen in der Stadt verbracht. Am späten Nachmittag schlenderten sie glücklich, man möchte sagen, selig den Nachmarkt entlang.<br />
"Klimt. Gust Klimt." fragte sie, "Was hat es mit deinem Pseudonym eigentlich auf sich." Seine Augen hellten sich auf und er sah sie aufgelöst an als habe sie ihm gerade den wunderschönsten Satz auf Erden gesagt. "Du bist die erste, die mich danach fragt." Er sah sie mit dieser hilflosen Hingebung an die er sofort mit einem süffisanten Lächeln ersetzte, als sie es bemerkte. "Dass du mich das ausgerechnet hier fragst?" Sie lächelte. "Der Naschmarkt hat etwas damit zu tun?" Gust sah sie mit großen Augen an und spürte in einem beunruhigenden Gefühl, dass sein Herz existierte. "Es hängt doch alles mit allem zusammen. Vielleicht hat uns das Leben gerade deswegen heute, hier und jetzt hierher geführt." Gust seufzte. "Weil du diesen Ort verzauberst." murmelte er kaum hörbar. Er sagte: "Es gibt in der Stadt ein paar Zufluchtsorte in denen ich mich geborgen fühle. Wo ich hingehe, wenn ich traurig bin. Oder wo ich hingehe, wenn ich glücklich bin." "Der Naschmarkt?" fragte sie, stemmte ungläubig ihre Hand in die Hüften und lachte . "Mein Papa hat mich immer dorthin mitgenommen. Ich mochte schon immer den Trubel, die Leute und die exotischen Waren." Er überlegte kurz, dann fuhr er fort: "Vielleicht liebe ich am meisten die Erinnerung. Weil ich hier einmal glücklich war. Wenn man zurückschaut, kommt einem immer alles viel schöner vor als es eigentlich war." Elia lächelte. "Jaja, die Vergangenheit malt sowieso mit goldenem Pinsel. Ist das also deine Verbindung zum alten Klimt?" "Du bist nah dran. Habt’s ihr denn in der Schule nichts gelernt? Der Klimt und der Nachmarkt gehören ja so gut wie zusammen." Sie schüttelte den Kopf und er ging mit ihr die Häuserfassaden Richtung Innenstadt zurück. Vor dem Secessionshaus blieben sie stehen und er zeigte ihr die vergoldeten Fassaden in der die Abendsonne glänzend glitzerte. Sie sah sich das Gebäude bewundernd an. "Ist schon komisch, da bin ich in der Stadt aufgewachsen und trotzdem scheint es als sei ich jahrelang wie blind durch die Gassen gerannt. Das Haus ist mir noch nie aufgefallen. Sieht echt nach Klimt aus." "Ist auch Klimt drin." antwortete er. Sie sagte: "Ich muss gestehen, dass ich mich mit dem Klimt nie so befasst hab. Mein Ding war eher der Nitsch." Sie lachte wieder in sich hinein. "Ich hör dich förmlich, wie du sagst, geh Elia, das passt ja gar nicht zu dir. Aber das Dunkle, das Unergründliche hat mich schon immer mehr fasziniert." Sie sahen sich einen Moment lang an, dann sagte er: "Ich mochte schon immer alles was leuchtet. Mit seinem goldenen Pinsel hat der Klimt in Natura eigentlich unhübsche Modelle wie jene Frau Bloch-Bauer in unergründlicher Schönheit auf die Leinwand gemalt. Diese aberwitzige Kombination, mit diesem teuren Material zu malen und der goldenen Hand des Malers haben etwas für die Ewigkeit geschaffen. Was würde ich geben, wäre ich ähnlich talentiert." "Ich weiß ja nicht wie du malst, aber ich finde du schreibst mit Sicherheit nicht schlechter als Klimt." Schmunzelte sie. "Ach halt die Goschn." konterte er und ein schweres Schweigen fuhr zwischen sie, während hinter ihnen die Kuppel in rötlichem Licht von der untergehenden Sonne kündete. Es war nur ein kurzer, schüchterner Kuss aber Gust musste an diesem Tag die bittere Erfahrung machen, dass ein perfekter Augenblick zwar für die Ewigkeit bestimmt ist, aber nie wieder wiederholt werden kann.<br />
Wie nach einem Rendezvous üblich, brachte er Elia bis vor die Haustüre. Das ungeschriebene Gesetz der Exklusivität erlaubte natürlich nicht, ihn hinein zu beten. Aber es erlaubte einen flüchtigen Kuss auf ihre Wange und eine schlaflose Nacht. Gust begann in dieser Nacht zu schreiben.<br />
Die Worte gingen ihm leicht von der Hand, Tag für Tag wuchs es Kapitel, für Kapitel an. Die Erkenntnis, dass in diesem Buch bald alles erzählt war was es zu erzählen gab, traf ihn mit voller Wucht. Als habe er nicht nur ein Buch beendet, fiel er nach dem Tippen des Schlusssatzes in eine unerklärliche depressive Lethargie. In der Runde fragte man ihn, was er derzeit schreibe. "Nichts." sagte er, trug das Manuskript wochenlang in seiner Tasche, ohne es übers Herz zu bringen, Emilia davon zu erzählen. Die Last dieses Textes in seiner Tasche schnürte ihm die Luft zum Atmen ab und als ob er sich davon die endgültige Erlösung erhoffte, beschloss er, das Buch zu veröffentlichen.<br />
Innerhalb weniger Monate wurde das Buch von den Feuilletons verrissen und den Buchhändlern von verzweifelten Hausfrauen aus den Regalen gerissen. Der Erfolg überrannte ihn.<br />
In der Literaturrunde schlug ihm kalte Ablehnung entgegen und man ließ ihm die Enttäuschung über den Vertrauensbruch spüren. "Du unterschreibst einen Buchvertrag und wir erfahren es erst, als deine Fresse meterhoch in den Schaufenstern hängt." schimpfte Emilia. Die anderen, die das Buch teils schon gelesen hatten, schüttelten nur die Köpfe. "Wie ist es denn so?" fragte sie. Die anderen schauten ernst. "Banal. Oberflächlich. Eine fürchterlich kitschige Liebesgeschichte. Tu dir diesen Schund lieber nicht an." Sie sprachen bereits als sei Gust gar nicht mehr anwesend.<br />
Sie baten ihn, nicht mehr zu den Treffen der Gruppe zu erscheinen.<br />
Als hätte er einen pechschwarzen Vertrag unterzeichnet, veränderte sich alles. Er geriet in die Marketingmühlen, wurde durch das halbe Land geschickt und er verschwand. Mit dem Ausschluss aus der Literaturgruppe verlor er auch den Kontakt zu Emilia. Als habe er ihre Exklusivität verschachert. Mit dieser Lüge, für einen Buchvertrag, für den Erfolg, die Lesereise und die pressewirksame Ankündigung der Verfilmung. Die Exklusivität war tot. Er hatte sie nicht wieder gesehen. Bis heute.<br />
Gust blickte auf. Ihn fröstelte. Ein Auto hupte in der Ferne und das Wasser des Kanals gluckste leise. Er öffnete die Tür und ging die Treppe hinunter. Sofort schlug ihm die stickige Luft entgegen. Er zwängte sich an den Leuten vorbei und seine Augen suchten nach ihr. Er entdeckte sie auf der Tanzfläche. Umgehend war er von Tanzenden umringt, er bahnte sich seinen Weg zu ihr. Sie reckte die Hände in die Höhe und sah ihn fragend an, als sie ihn bemerkte. Wie ein regloser Fremdkörper stand er zwischen den sich rhythmisch bewegenden Körpern. Elia hielt inne und verschränkte die Arme. Er erhob die Stimme laut um die Bässe zu übertönen. "Man sollte kein Gold kaufen, weil der Goldwert starken Schwankungen unterlegen ist." rief er. Sie sah in ratlos, fast angewidert an. "Was hat das mit meinem Bauernhof zu tun?" Er verstand, dass die Antwort ihrem typischen Humor entsprach, aber ihre Augen lachten nicht. "Elia bitte." sagte er flehend und reichte ihr die Hand. Sie nahm seine Hand nicht an, folgte ihm aber in einen etwas stilleren Winkel des Clubs. Sie setzten sich auf eine Couch.<br />
"Wie konnte es nur so weit kommen?" fragte er. Ihr Blick war traurig. "Das fragst du? Du hast ja alles was uns irgendetwas wert war, verraten und verkauft. Wir haben uns einfach getäuscht in dir. Du hast uns doch nie wirklich gebraucht und unsere Runde nur dazu genutzt, um dein aufgeblähtes Ego zu stillen." sie holte tief Luft, "Unsere Gruppe stand für schonungslose Offenheit in allen künstlerischen Dingen. Und jeder einzelne versuchte, den anderen auch in Sachen Veröffentlichung unter die Arme zu greifen. Das hat dich doch alles nie interessiert. Als ginge es dir von Anfang an nur ums Geld." "Bin ich so?" er blickte niedergeschlagen zu Boden. "Schau dich an. Jetzt trägst auf einmal Teile die so teuer sind, dass ich ein Monat lang davon leben könnt. Ich hab gelesen, du hast dir jetzt einen BMW gekauft?" "Weil ich ein zuverlässiges Auto brauche, wenn ich auf Lesereise gehe." "Einen Cabrio?" Sie hielt seinem Blick stand und schüttelte enerviert den Kopf. "Weißt du was ich glaube? Du baust dir gerade eine glitzernde Filmkulisse auf, eine Fassade die geradezu schreit: Schauts her, ich bin glücklich, mein Leben ist perfekt. Aber…" Elia suchte in seinen Augen nach irgendeiner Regung und fuhr mit leiser Stimme fort, "Aber das hat in deinem Buch ja auch schon nicht geklappt." Ihre Blicke trafen sich und sie sah ihn an wie jemand der gerade gesteht, das größte Geheimnis des anderen gelüftet zu haben. "Ja, ich habs dann doch gelesen." sagte sie. Gust's Gesicht erstarrte und er schaute reglos ins Leere. Seine Augen begannen silbern zu glitzern und eine Träne rann über die versteinerte Wange. Dann fixierte sie sein Blick wieder. Leise, mit zarter zerbrechlicher Stimme sagte er: "Ich wollte nur in deiner Nähe sein." Er rang nach Worten. "Die Zeit mit dir hat alles wertvoll gemacht. Die Jahreszeit, die Orte an denen wir waren. Du hast mich wertvoll gemacht." er sah sie mit tränenunterlaufenen Augen an. "Was hätte ich auch tun sollen? So jemanden wie dir bin ich noch nie begegnet und werde ich auch nie wieder begegnen." er räusperte sich und sprach mit etwas festerer Stimme weiter. Er lächelte resignierend als er sagte: "Glaub mir, ich hab mich umgeschaut." "Deine warme, ehrliche, herzliche Art ist etwas was meinem Leben gefehlt hat. Fehlt." ergänzte er. "Du bist das wertvollste das ich je gehabt habe." sagte er.<br />
Ihre Pupille zog sich zusammen und sie legte eine ungewollte Schärfe in ihre Stimme: "Aber du hast mich nicht gehabt." sagte sie. "Niemand hat mich." "Und was ist mit deinem Freund?" Elia sah mit in sich gekehrtem Blick zu Boden. "Wir sind darum so lange zusammen weil wir wissen, dass wir uns nicht gegenseitig gehören." "Warum hast du auf meine Anrufe nie reagiert?" fragte er. Ihr Blick wurde ernst und eine unbestimmte Traurigkeit zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. "Anfangs fand ich, dass die anderen überreagierten und einfach nur eifersüchtig auf deinen Erfolg waren." sagte sie. "Dann hab ich das Buch gelesen. Scheiß auf das, was die anderen denken, es war das schönste was ich jemals gelesen habe." Sie wischte sich in einer flinken Handbewegung eine Träne aus dem Gesicht. "Hast du gedacht, ich merke nicht, dass ich mich da rauslese?" "Ich habe nur für dich geschrieben." entgegnete er matt. Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich. "Vielleicht wäre es dir gelungen, dass dieses schöne Märchen in Erfüllung gegangen wäre." sagte sie, "Aber du musstest ja gleich das ganze Land Anteil nehmen lassen. Und den Quatsch den du in den Interviews von dir gegeben hast, hat mir den Rest gegeben." Sie stand auf, warf ihm noch einen verzweifelten Blick zu: "Natürlich ist die Liebe banal. Aber gleichzeitig gibt es nichts Wertvolleres im Leben. Du hast meine verkauft. Steck dir dein ganzes Geld das du damit gemacht hast sonstwohin. Mir ist mein Leben zu wertvoll als dass ich es noch einmal mit dir vergeude." Sagte sie, schüttete ihm ein auf dem Tisch stehendes halbvolles Glas Cuba Libre ins Gesicht und beschloss spektakulär das letzte Kapitel seines zweiten Erfolgsromans.<br />
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Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-67018601956870468062017-04-29T21:03:00.000+02:002017-04-29T21:03:31.711+02:00Irrwitzig verrückt<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Seit Monaten eine blanke Seite im Moleskine. Die Schreibbohéme in der Schreibblockade? Oder die Ruhe vor dem Sturm?</span></div>
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<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Am 7. Mai ist Einsendeschluss vom <a href="http://fm4.orf.at/tags/wortlaut">FM4 Wortlaut. </a>dem einzigen Schreibwettbewerb bei dem ich seit über zehn Jahren tapfer Jahr für Jahr geniale Geschichten einschicke und mir alljährlich die Watsche des Nicht-Beachtens abhole. Ja, auch dieses Jahr schreibe ich wieder fleißig. "Grell" ist das Thema. Falls die ehemaligen <a href="http://fm4v2.orf.at/connected/180604/main.html">Wortlaut-Gewinner</a> und <a href="http://www.das-syndikat.com/buecher/titel/5807-wortlaut-13-klick-der-fm4-kurzgeschichtenwettbewerb.html">Longlist-Schaffer</a> noch mitlesen - Schöne Grüße an dieser Stelle!</span></div>
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<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Wäre doch gelacht, wenn es dieses Jahr nicht mindestens ein Schreiber/Mitleser der Schreibbohéme in die Top 10 schafft!</span></div>
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<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Sehr gerne würde ich Euch jetzt meinen 17er Text posten, aber dann wär ich ja disqualifiziert. Also poste ich etwas ganz anderes und hoffe, Ihr habt trotzdem Spaß beim Lesen: </span></div>
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<span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Irrwitzig verrückt</span></h2>
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Ein halbverrückter, exotischer Schluckauf befällt mich. Es ist gar kein richtiger Schluckauf, weil er sich nur einmal in einer halben Stunde bemerkbar macht, dafür aber um so lauter. Die ganzen Leute in der Pizzeria schauen mich an, als hätte ich gerade einen epileptischen Anfall erlitten. Jeden Moment ruft jeder "Ist hier ein Arzt?" Aber ich lebe noch und ich habe noch eine gute halbe Stunde um aus dem Lokal zu flüchten, bevor wirklich jemand den Arzt holt.</div>
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Die feine Gesellschaft verabschiedet sich. Zwei Glaserl Wein sind genug für einen Samstag Abend und alle gähnen und freuen sich aufs Bett. Soll mir Recht sein, ich hab mir längst genug Mut angetrunken, um den Samstag zu erobern.</div>
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Weil ich fürchte, dass es sich die anderen doch noch überlegen und mich begleiten, laufe ich auf einmal davon. Hoch die Treppen vom Stadtberg. Es ist kälter als gedacht und der Optimist kleidet sich immer zehn Grad kühler als es tatsächlich ist. Am Stadtplatz ist die Hölle los. Tausende Menschen rauchen vor den Lokalen und ich muss dringend pinkeln. Da der Stadtplatz ein in sich geschlossenes Häuserensemble ist, gibt es weit und breit kein Flecken Natur, wo man ohne schlechtes Gewissen bieseln könnte. Weil die Leute schon schauen, warum ich so ungeduldig schaue, laufe ich den Stadtberg wieder runter in Richtung Au und biesle einfach am Parkplatz vor dem Reformhaus. Ist doch sowieso alles Öko, da wird sich schon keiner aufregen. Es ist immer spannend, im Schnee zu pinkeln. Weil es a) so schön dampft und es b) physikalisch faszinierend ist, wie das Eis erst langsam, dann immer schneller dahinschmelzt und man sein Urin wie einen Stempel gelb in den Schnee drückt. Amerikanische Forscher haben in Brasilien einmal Beton in einen Ameisenbau gespritzt, den dann ausgegraben und anhand der riesigen Betonkonstruktion in der Erde wahnsinnig interessante Dinge über die Ameisen herausgefunden. Man sollte eigentlich auch die gefrorenen Pinkellöcher aus dem Eis ausgraben, um anhand der verwendeten Muster den Charakter des Bieselnden zu analysieren. Meine Technik ist die, dass ich ein möglichst tiefes Loch in den Schnee biesle. Mit Namen Pinkeln hab ichs nicht so. Das Problem beim Wildbieseln ist noch das Bedürfnis, sich die Hände zu waschen. Es ist komisch, dass man das auf einem normalen WC nie hat, nur immer dann, wenn mans nicht kann. Jetzt aber weiter.</div>
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Der Eintritt ist teuer, die Musik ist laut und der Club verraucht. Es ist Wochenende. Montag bis Donnerstag Büro, Freitag bis Sonntag Boheme. Der Club wird von einer angenehmen Mischung aus jungen wilden Leuten und reiferen, jung gebliebenen Langhaarigen besucht. Man kommt sich dort nicht ganz so alt vor wie in den angesagten Clubs, wo sich selbst die jungen meist alt fühlen. Mich wundert es dann immer, wo der vielzitierte Jugendwahn geblieben ist, oder warum er nicht dorthin geht, wo es wirklich hip ist, sondern die ergrauten Jugendwahnsinnigen stur in die selben Clubs und Kneipen gehen, in die sie schon seit zwanzig Jahren gehen. Genau so ist es hier. Die Musik ist jung und darum sind auch die jungen wilden allesamt gekommen. Aber das Stammpublikum aus den Neunziger Jahren ist ebenfalls gekommen. Was sollen sie auch woanders hingehen, es ist Samstag.</div>
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Vielleicht kann man genau so das Erwachsenwerden definieren: In jungen Jahren schaut man sich die Konzerte aus der ersten Reihe aus an und hat nur Augen für die Bands und kreischt ab und an kurz vor der Ohnmacht. In den wilden Jahren ist man ganz vorne, genau in der Mitte vor der Bühne und tanzt wie ein verrückter. Je älter man dann wird, desto weiter hinten platziert man sich, desto weniger tanzt man aufgrund Ischias und Bandscheiben und so. Ganz am Schluss steht man nicht einmal mehr in der Mitte, sondern links oder rechts seitlich der Bühne, je nachdem wo die Pilsbar aufgestellt ist. Ich gehe auch schnurstracks an die Bar und hole mir einen Cuba Libre und das war dann auch die genau richtige Entscheidung!</div>
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Da steht sie, als wartet sie auf mich. Sie schaut mich an, als kennt sie mich und sie schaut genau so aus, wie ich sie mir immer vorgestellt habe. Diese Ausgeburt von Utopia. Wieso schaut sie so süß, warum trägt die genau das Kleid, das mich wahnsinnig macht und das so kurz ist, dass man ihre Arme sieht und an den Armen merkt man sowieso, ob jemand jetzt wirklich attraktiv ist, oder auch nicht. Über ihrer Brust trägt sie ein goldenes Medaillon, verdammt, muss sie denn alles richtig machen? Oder mag ich das Medaillon einfach deshalb, weil sie es trägt? Na klar, die Augen. Die Augen sowieso. Die sehen mich ja an, als wüsste sie, dass ich der Augentyp bin, der auf Augen steht. Sie hat ein ewig junges Mädchengesicht, das sicher in zehn Jahren keinen Millimeter anders aussieht, auch wenn sie dann zwar noch jung aber kein Mädchen mehr ist. </div>
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Wir reden sofort, als sei es eine Selbstverständlichkeit, über die Gefahren des Internets und dass wir gegen unsere Eltern sowieso nicht mehr rebellieren können. Ich rede überhaupt viel und komme furchtbar gescheit vor, weil ich seit Tagen wie ein Besessener Bücher lese und mein Gehirn zudröhne mit Wissen bis es platzt. Sie sagt auch gescheite Sätze, aber sie macht sowieso alles richtig. Sie hätte auch sagen können, dass sie Rockantenne hört und ich hätte sie trotzdem vergöttert. Aber dann will sie tanzen gehen und erst jetzt bemerke ich diesen irren Altersunterschied, ich könnte ihr Vater sein, sagt man doch so gerne. Diesmal stimmts wohl. Mit dem Unterschied, dass ich mit 13 noch keinen Sex hatte. Nicht mal ansatzweise, aber das ist eine ganz andere Geschichte und um ein Haar erzähl ich sie ihr auch, aber so wahnsinnig bin ich dann auch wieder nicht. Ich wippe mit dem Cuba Libre in der Hand und weiß natürlich, dass sie tanzen will. Also mache ich mich rar, verschwinde wieder, sie soll ihre Jugend nicht an mir verschwenden und verknallt bin ich sowieso schon also flieg, süßer Vogel Jugend.</div>
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Ich renne aufs Klo und treff dort jemanden, der viel wahnsinniger ist als ich es jemals war und kriege einen Lachanfall, weil er im Klo sitzt und auf seinen Kumpel wartet. Ich lache gar nicht deshalb, weil er auf dem Klo sitzt, sondern weil er es ist und ich verknallt bin und sowieso alles witzig finde. Er sagt, er wartet auf sein Geheimtreffen und tut furchtbar geheimnisvoll, dabei wollen sie nur einen durchrauchen und ich schrei Yeah! Und kündige an, heute alle Dummheiten mitzumachen, einfach weil Samstag ist und das Leben zu schön, als es zu zerdenken. Der Kumpel kommt, wir sitzen auf einer Couch und er schreit noch, ob ich morgen kündige und ich inhaliere und denke, ist doch scheißegal. Im nächsten Moment werde ich hysterisch, weil ich begreife, dass wir uns in einer Höhle befinden und ich rechne damit, dass jeden Moment der Fels einstürzt und uns alle bei lebendigem Leib zermalmt. Wasser tropft von der Decke und ich ducke mich, zum Glück, es ist nichts passiert. An der Bar steht die Wunderschöne und ich stelle mich zu ihr ohne was zu sagen. Das ist peinlich, aber konsequent. Sie fragt, ob wir jetzt noch was zu trinken bestellen und ich sag na Klar, aber da ist längst schon alles verloren. Da hat sie schon begriffen, wie atemberaubend sie ist und ich hau lieber ab, bevor sie es mich spüren lässt. </div>
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Will die eine, wolln sie alle und mein großes Herz steht auf einmal vor mir und ich falle ihr um den Hals und lache sie aus, lache weil sie nicht mehr meine größte Liebe ist und amüsiere mich köstlich, dass ich mich von nun an gar nicht mehr für sie interessiere, aber sie hat keine Ahnung, die Lustige. Ich quatsche sie voll und erzähle ihr von meiner Lebenstheorie und kann ihr endlich unverblümt sagen, was ich denke und was mich halb wahnsinnig macht. Ich sag ihr, dass ich so eine seelische Sehnsucht spüre, so eine Art erotisches Heimweh und sie hält mich für verrückt, macht aber den Spaß mit und ich verwechsle total, welche Rolle ich ihr gegenüber spielen soll, hab keine Ahnung, ob ich ihr Kumpel bin, oder ihr Verliebter und weil ich sowieso ein Rollenidentätsproblem habe, stimme ich ihr zu, dass die A. dicke Tüten hat, verrate aber nicht, ob ich das jetzt toll oder nicht toll finde.</div>
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Aus den Augenwinkeln sehe ich eh die Bezaubernde, die sich auf ein Sofa gesetzt hat und gelangweilt so tut, als habe sie nichts zu tun und sie denkt wohl, ich merk das nicht und tu so, als sei ich furchtbar beschäftigt und quatsche mit der Nummer Zwei weiter und rede mich um Kopf und Kragen, bis sie mich total zu hassen beginnt und mir ins Gesicht knallt, wie sehr sie ihren Freund liebt, die alte Schlampe.</div>
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Halb verrückt vor Eifersucht haue ich ab, ohne mich von irgendeinem dieser beknackten Fabelwesen zu verabschieden. Was stellen sie denn schon dar mit ihrer Vollkommenheit und ihrem scheißverdammten Charme und ihrer irrwitzigen Schönheit? Nichts! Nicht mal in Ruhe unterhalten kann man sich mit denen, ohne dass man sich selber wie ein ungebildeter Idiot vorkommt. Ich habe genug gesehen und stürze mich hinaus in den Schnee, schmeiße mich in den Kanal und hoffe zu ertrinken, aber es ist zu wenig Wasser drin. Der Mond knallt aggressiv herunter und ich kann das im Moment überhaupt nicht haben, so fuck you moon! Schreie ich und renne nach Hause, als ob das noch irgendwas ändern würde.</div>
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Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-26498005119308943372017-01-25T12:36:00.000+01:002017-01-25T12:37:53.003+01:00<h2 style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 22px; margin: 0px; position: relative; text-align: center;">
Dass hier mal wieder etwas passiert</h2>
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Eigentlich wollte ich das ganze als Kommentar posten, allerdings sind dort die Layoutmöglichkeiten stark beschränkt, deswegen habe ich mich für einen eigenen Post entscheiden. Ihr könnt das gerne ändern, verschieben, löschen, wenn das jemanden stört. </div>
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Ich habe mich vor kurzem mit dem Autor Christoph Magnusson über den neuen, starken Ich-Erzähler unterhalten. </div>
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Schnell waren wir uns einig, dass der nahe Ich-Erzähler mal so gar nichts neues ist. Die Vorteile dieser Erzählart liegen mMn in starker Nahe zum Beschriebenen und einer automatisch etablierten Authentizität, die oft auch in der Person des Autors mit gebracht wird. Einerseits kann man das dann als realistisch und sehr mutig vom Autor bezeichnen, anderseits kann es auch als ein bisschen billig empfunden werden, sich die Arbeit eine stringente Figur einzuführen einfach zu sparen, indem man ein schon medial/gesellschaftlich bekanntes Bild nimmt. Außerdem schränkt es das zu Erzählende stark ein, da ein - wenn auch nur so wahrgenommener - Bruch mit der Realität das Konzept ins Wanken bringt. Ich, ganz persönlich, liebe die Freiheiten, welche Literatur ermöglicht und liebe es mich mit deren Regeln nicht nach Wahrheit richten zu müssen. Oder gar der Realität, wie sie nur aus meinem Blickwinkel existiert. </div>
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Ebenfalls sind wir über ein gekommen, dass das Gerede über den großen Ich-Erzähler lediglich auf der "Analyse" eines einzelnen beruht und solche Trends - hier bin ich mir gar nicht sicher, ob von einem solchen gesprochen werden kann: er nennt 3! Autoren - so schnell schwinden, wie die Printauflagen von Literaturzeitschriften. Alles in allem: Schreib die Erzählperspektive, die zu deiner Geschichte passt, für Trends, von denen du gehört hast, bist du zu spät dran ;)....</div>
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Jetzt habe ich mir nochmals deiner Geschichte angenommen. Heftiges Thema und, sollte ich jetzt Gefühle verletzen bzw. Sachen kürzen, die aus persönlicher Sicht unerlässlich sind, tut mir das leid. Ich versuche mich nun rein darauf zu konzentrieren, die literarische Qualität des Textes zu verbessern, also Potentiale freizulegen und den Fokus - für den Leser - auf die Stärken des Textes zu richten. </div>
<h2 style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 22px; margin: 0px; position: relative; text-align: center;">
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Toskana</h2>
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<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
Sofort waren das Morgenlicht, die uralten Felder und die <span style="color: #e69138;">toskanischen ( schon durch Überschrift klar)</span> Hügel zerrissen ( Metapher funktioniert auf Bildebene schwer, da Licht nicht materiell ). Da war <strike>nur noch </strike><span style="color: #e69138;">( du hast davor Landschaft beschrieben; "zerrissen teast 2 Sachen an, dann ist nur noch überflüssig) </span>das tote Kind und meine weinende Schwester. <strike>Ich trug noch immer meine verschwitzten Laufsachen und diese schwarze Leere, die seit einigen Tagen zu schwinden begann, war wieder da. Schwer und unaussprechlich.</strike> <span style="color: #e69138;">(Kontrast so stärker; Joggen wird nie wieder erwähnt; Leere, die sogleich wieder relativiert wird -> wenig stark; bleib im Moment )</span>Unten kochte Stella Kaffee. Wie jeden Morgen. Wie schon Jahre zuvor, als ich hier immer glücklich war. <span style="color: #990000;">TEMPUSWECHSEL, wieso, es folgt kein Höhepunkt; ich würde alles in Präsens schreiben</span> Ich sage es ihr. <strike>Worte umschreiben einen Sachverhalt. </strike><span style="color: #e69138;">(komplett unetablierte Erzählerstimme; zerstört die Nähe und Stimmung) </span>Sie schaut verständnisvoll, wie sie es immer schaut. Aber ein Mensch kann das Unsägliche nicht verstehen und ich überlege, meinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen, indem ich mich heulend auf dem <strike>roten</strike> Boden wälze. So wie ich auf den <strike>letzten </strike>Beerdigungen fantasierte, mich schreiend in das Grabloch zu stürzen. <span style="color: #6aa84f;">+</span></div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
Stella wird es Arwed erzählen. Ich werde das Unsägliche kein zweites Mal aussprechen. Sie sollen verstehen, dass es ein Wunder ist, dass wir hier sind. Dass wir nur einen Tag toben und weinen werden. Dass wir die angepasstesten Menschen der Welt sind. <strike>Aber da ist nichts als die lähmend schöne Landschaft und das Grauen, das zur Stunde 700 Kilometer entfernt zu Hause weiter tobt. </strike> <span style="color: #e69138;">(Satz davor als Ende viel stärker, das ist so ein Rönnefehler: guter Satz, dann nach 3 Nachschübe bis es zu hässlichem Brei wird)</span></div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
Ich werde darüber schreiben wie mein Großvater fast gestorben wäre. Aber es wird nur ein müdes, längst vergangenes <strike>Unheil </strike> <span style="color: #e69138;">Unsägliches ( wenn du dich schon für diese außergewöhhnlich Wort entschieden hast, dann ziehs auch durch) </span>im Vergleich zur Gegenwart <strike>sein</strike>. Weltkrieg hin oder her, <strike>der Krieg, die Toten haben meine Familie längst zersetzt. </strike></div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
<strike>L. flüchtet sich in ihre Handywelt und sie fügt sich erschreckend in das Muster der heiteren, unbedarften Mädchen, die ich in meinen Stürmen gesucht habe. Ihr braucht man nichts vom Tod erzählen. Sie ist eine junge Mädchenblüte und kein Schatten auf ihr außer meiner. </strike></div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
<strike>Bald werde ich Ronja von Rönne wiedersehen und sie wird nie erfahren, dass sie mich nur als Kriegsversehrten kennenlernte. Und ich denke darüber nach, ob es ihr egal ist, oder ob sie etwas von L. unterscheidet. Vielleicht alles. </strike> ( hier wird ein absolut neues Thema aufgemacht; L. ist nicht etabliert, wer ist sie. Die Rönne passt nun wenig zu solch tragischen Fällen )</div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
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<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
Die dichte Atmosphäre und die Nähe zum schlimmen Erlebten gefallen mir hier sehr gut. Ich denke, der Text wird stärker, wenn man sich hierauf konzentriert. Vielleicht kannst du noch, wie du angefangen hast, die Reaktionen anderer hinzufügen (L.), aber dann musst du dir hierfür mehr Raum nehmen</div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
Ich hoffe, so etwas ist hier gewünscht. </div>
<div style="background-color: #f6f6f6; font-family: Georgia, Utopia, "Palatino Linotype", Palatino, serif; font-size: 15.4px; text-align: justify;">
Fabi</div>
Schreibaderhttp://www.blogger.com/profile/12974520735504826333noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-78349665147779159762017-01-16T19:37:00.000+01:002017-01-16T19:41:09.034+01:00Der Abgrund in der Literatur - dürft gerne kommentieren!<div style="text-align: justify;">
Zwei Artikel habe ich zuletzt interessiert gelesen. Sie haben mich angeregt, über mein Schreiben nachzudenken. Der erste war <a href="http://literatourismus.net/2017/01/die-angst-vor-dem-abgrund/">ein Text von Sophie Weigand</a> über den Abgrund in der Literatur.</div>
<div style="text-align: justify;">
Die letzten zwei Jahre habe ich beinahe jeden Prosa-Text vor einem gefühlten Abgrund geschrieben. Ich frage ich mich, ob es gelungen ist, diesen Abgrund in den Texten auftauchen zu lassen.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich poste Euch mal den Beginn einer Erzählung die ich dieses Jahr auf der <a href="http://chiemgau-autoren.de/schreibwerkstatt-die-chiemgau-autoren-auf-der-rabenmoosalm/">Schreibalm </a>- Werkstatt geschrieben habe.</div>
<br />
<h2>
Da kommt der Adel</h2>
<div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
Irgendwo zwischen dem Friedhof der ungeborenen Kinder und dem Grab meiner Eltern lief sie mir über den Weg. Besser gesagt, sie sprach mich an. Greta von Kotzebue. Was macht eine wie die am Friedhof, fragte ich mich. Sie sah ganz passabel aus und war höchstens 20 oder 29. Sie grüßte mich und stellte mir dieselbe Frage. </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
"Bist du nicht etwas zu jung für Friedhöfe?" </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
Was soll ich sagen? Ich glaube, ich habe seit Jahren auf so etwas gewartet. Ich meine, auf eine schöne junge Frau wartet man ja immer, aber eine die genau die Frage stellt, die sich niemand zu stellen traut, das war schon ungewöhnlich. Das war so eine Art Dammbruch. Eigentlich wusste ich genau, dass man jungen schönen Frauen nicht gleich die Geschichte vom toten Hund erzählt und die vom toten Kind erst dreimal nicht. Aber Greta hatte gefragt und machte keine Anstalten, mir nicht interessiert zuzuhören. Also setzten wir uns auf eine der Bänke im Waldfriedhof. Die Vögel zwitscherten aggressiv und beinahe wäre es schön gewesen. Ich erzählte Greta von Kotzebue vom Krebs und wie der meine Eltern aufgefressen hat. Und von Katharina, die damals unser Kind verlor, weil sie das alles nicht aushalten konnte. Ich betonte, dass Katharina jetzt in Bielefeld wohnte, um klarzustellen, dass es nichts mehr zwischen mir und Katharina gab. Außer dieser kleinen feuerbestatteten Pappschachtel im Grab der ungeborenen Kinder. Greta sagte erst, als ich ihr so ziemlich alles was es über mich zu wissen gab, gesagt hatte, dass sie für ihren Blog recherchiere. Dass sie etwas über den Tod bringen wolle, aber sie wisse noch nicht genau was. Aber es sei richtig gewesen, sich mal auf dem Friedhof umzuschauen, sagte sie und tippte mir dabei irgendwie auf das Bein und sofort zuckte etwas in mir zusammen. Sie sagte, sie wolle mir etwas zeigen und weil ich unbedingt wollte, dass sie mir etwas zeigte, folgte ihr durch die Reihen aus Grün und Gräbern. </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
"Das ist unsere Familiengruft", sagte sie. "Hier werde ich irgendwann mal liegen. Vermutlich mit 27", sagte sie, lachte und zündete sich eine Zigarette an. So erfuhr ich, dass Greta einen Adelstitel trug. Sie erzählte, dass ihre Familie irgendwie von August von Kotzebue abstammte. Dem Dichter, den einer in Mannheim erstochen hatte. </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
"In Mannheim, da habe ich mal gelebt", sagte ich. </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
"Ich nicht." Sie schüttelte den Kopf. Greta sagte, sie lebe jetzt in Wien. Und ihr Blog sei recht erfolgreich, sie könne die Miete davon bezahlen. Dann lachte sie und meinte, die Mieten in ihrem Bezirk seien aber auch recht günstig. </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
Sie schnippte die Kippe auf ihre Familiengruft. Ich schaute ihr dabei scheinbar perplex zu. "Die Toten interessiert das doch nicht mehr", erwiderte sie. </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
Ich begleitete sie zum Parkplatz. Sie kramte einen Füllfederhalter aus der Tasche und hielt mir ein Moleskin hin. Den Füllerdeckel im Mundwinkel nuschelte sie, ich solle ihr meine Handynummer geben. "Damit ich dir den Entwurf des Artikels schicken kann", sagte sie. "Darf ich deinen Namen verwenden? Wie heißt du eigentlich mit vollem Namen?" "Hans", sagte ich. "Hans Irlbach." </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
"Ich melde mich", rief sie mir aus der heruntergelassenen Fensterscheibe ihres Autos nach und verschwand. </div>
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
Da kommt der Adel, dachte ich mir eine Woche später, als ich im Café Lenz auf sie wartete. </div>
<br />
<div style="text-align: center;">
To be continued</div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die Methode, die ich in diesem Fall auswählte, war ein fiktiver Text, inspiriert von den Ereignissen um mich herum. </div>
<div style="text-align: justify;">
Derzeit gibt es andererseits eine Diskussion, ob die neuen großen Texte nicht alle autobiographischer Natur sind. Peter Praschl <a href="https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article160960374/Warum-mich-Romane-heute-nur-noch-langweilen.html">schreibt in der Welt</a>, dass ihn Romane langweilen und er lieber über das geballte, das wirkliche Leben lesen will. Als Referenzen nennt er die wuchtigen Werke von Knausgard, Melle und Stuckrad-Barre.</div>
<div style="text-align: justify;">
Der autobiographische Gehalt meiner Texte schwankt stets. Dies ist einer, den man als autobiographisch bezeichnen könnte:</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<h2 style="text-align: center;">
Toskana</h2>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Sofort waren das Morgenlicht, die uralten Felder und die toskanischen Hügel zerrissen. Da war nur noch das tote Kind und meine weinende Schwester. Ich trug noch immer meine verschwitzten Laufsachen und diese schwarze Leere, die seit einigen Tagen zu schwinden begann, war wieder da. Schwer und unaussprechlich. Unten kochte Stella Kaffee. Wie jeden Morgen. Wie schon Jahre zuvor, als ich hier immer glücklich war. Ich sage es ihr. Worte umschreiben einen Sachverhalt. Sie schaut verständnisvoll, wie sie immer schaut. Aber ein Mensch kann das Unsägliche nicht verstehen und ich überlege, meinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen, indem ich mich heulend auf dem roten Boden wälze. So wie ich auf den letzten Beerdigungen fantasierte, mich schreiend in das Grabloch zu stürzen. </div>
<div style="text-align: justify;">
Stella wird es Arwed erzählen. Ich werde das Unsägliche kein zweites Mal aussprechen. Sie sollen verstehen, dass es ein Wunder ist, dass wir hier sind. Dass wir nur einen Tag toben und weinen werden. Dass wir die angepasstesten Menschen der Welt sind. Aber da ist nichts als die lähmend schöne Landschaft und das Grauen, das zur Stunde 700 Kilometer entfernt zu Hause weiter tobt. </div>
<div style="text-align: justify;">
Ich werde darüber schreiben wie mein Großvater fast gestorben wäre. Aber es wird nur ein müdes, längst vergangenes Unheil im Vergleich zur Gegenwart sein. Weltkrieg hin oder her, der Krieg, die Toten haben meine Familie längst zersetzt. </div>
<div style="text-align: justify;">
L. flüchtet sich in ihre Handywelt und sie fügt sich erschreckend in das Muster der heiteren, unbedarften Mädchen, die ich in meinen Stürmen gesucht habe. Ihr braucht man nichts vom Tod erzählen. Sie ist eine junge Mädchenblüte und kein Schatten auf ihr außer meiner. </div>
<div style="text-align: justify;">
Bald werde ich Ronja von Rönne wiedersehen und sie wird nie erfahren, dass sie mich nur als Kriegsversehrten kennenlernte. Und ich denke darüber nach, ob es ihr egal ist, oder ob sie etwas von L. unterscheidet. Vielleicht alles. </div>
</div>
</div>
Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-18058460101720964712016-12-12T18:36:00.000+01:002017-01-14T20:35:03.030+01:00Die Toten auf dem Rücksitz (1): Pfeil und Bogen<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Die letzten Jahre vor seinem Tod war mein Vater wieder ein Junge geworden. Er fuhr stundenlang mit dem Rad durch die Landschaft, legte sich an einem sonnigen Plätzchen in die Wiese oder staute das Wasser des Baches hinter seinem Haus auf, damit er darin schwimmen konnte. Es gab keinen Einfluss einer Frau mehr, die ihn an die Gepflogenheiten erwachsener Menschen unseres Kulturkreis erinnerte und so hauste mein Vater in bescheidenen, andere sagten, ärmlichen Verhältnissen, wie er es auch als Junge in den Nachkriegsjahren getan hatte.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Seit seinem Tod versuchte ich zu verstehen, warum er diesen Weg für sich gewählt hatte und gelangte immer wieder zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass ihn diese Lebensweise glücklich gemacht hatte.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Anders als beim Tod meiner Mutter hatte ich keine Möglichkeit, mich von meinem Vater zu verabschieden, als er sich, wie es so seine Art war, ohne große Worte zu verlieren, dieser unserer Welt, die nicht mehr die seine war, zu entziehen. Ich wartete verstört im sterilen Flur der Intensivstation und wusste noch nicht, dass er längst neben mir saß.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Ohne eine Zeremonie und unter dem Zeitdruck des Unternehmens wurde drei Tage später die Maschinerie in Gang gesetzt, die seinen Sarg in einen Industrieofen fuhr, wo er hinter einer massiven Türe in einer glühenden Hitze verschwand.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Draußen vor dem Gebäude schaute ich noch eine Weile zu, wie weißer Rauch aus dem Kamin in den Himmel stieg.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Einige Wochen später, als es Frühling wurde, spazierte ich über das Grundstück meiner Kindheit. Wie immer, wenn ich das leere Haus besuchte, um das eine oder andere Aktenstück zu suchen, oder die Zimmer zu lüften, hatte ich dieses unbestimmte Gefühl, dass mein Vater noch immer dort lebte und nur auf einer längeren Radfahrt unterwegs war.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">In der Wiese vor dem Haus entdeckte ich im vom Schnee noch plattgedrückten Gras einen Gegenstand. Ich hob ihn auf und erkannte das alte Taschenmesser meines Vaters, das dieser vor Jahrzehnten einmal verloren hatte.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Der Schaft war schon damals verwittert gewesen. Ich zog die Klinge heraus. Sie war an den Seiten etwas angerostet.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Während ich das Messer betrachtete, erinnerte ich mich daran, dass mein Vater das Messer in meiner Gegenwart oft benutzt hatte, wenn er mir einen Pfeil oder einen Bogen baute.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Das Messer war unweit des alten Hollunderstrauches gelegen, aus dem er damals die Pfeilspitzen geschnitten hatte. Der Baum, der eigentlich vor Jahren schon abgestorben war, stand in diesem Frühling wieder in voller Blüte. Ich testete die Schärfe der Klinge und es gelang mir, problemlos einen Ast von der Hollerstaude herunter zuschneiden.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">So wie es mir mein Vater damals gezeigt hatte, schnitzte ich mir eine Pfeilspitze daraus.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Für den Pfeil benötigte ich Schilf. Mein Vater hatte früher stets größere Mengen Schilf auf dem Speicher über der Garage aufbewahrt. Ich ging zurück zum Haus und setzte die Leiter unter die Türe zum Garagenspeicher und kletterte hinauf. Hinter der Tür schlug mir ein modriger Geruch entgegen. Zwischen Styroporplatten und Brettern entdeckte ich tatsächlich ein Bündel Schilf und zog ein Schilfrohr heraus. Dabei sah ich unter den Styroporplatten meinen alten Bogen hervor lugen. Verwundert, dass dieser immer noch existierte, nahm ich ihn und kletterte die mit jedem Schritt vibrierende Leiter wieder herunter.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Mit gezielten Schnitten ins Schilf bastelte ich mir einen Pfeil zurecht und während ich in die Arbeit vertieft war, blickte mir mein Vater dabei über die Schultern.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Den fertigen Pfeil spannte ich in den Bogen, der trotz der 20 Jahre, die er inzwischen alt war, noch genau so geschmeidig war wie in meinen Kindertagen.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Ich zielte mit dem Pfeil in den Himmel und stellte mir vor, dass dort oben irgendwo mein Vater saß.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Mit einem lauten Zischen schoss der Pfeil in die Luft und stieg höher und höher, bis er verschwunden war. Eine Katze miaute und zwischen meinen Beinen schmiegte sich eine schwarz weiß gefleckte Katze, die exakt so aussah wie die Lieblingskatze meines Vaters.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Ich hob sie hoch und sie sah mich mit grünen Katzenaugen an. Die Katze bewegte ihren Mund und sagte: "Es ist jetzt gut. Du darfst mich nun loslassen." Erschrocken warf ich die Katze zu Boden und sie verschwand zwischen den Büschen.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "helvetica neue" , "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Dies war in derselben Woche passiert, als ich das Haus zum Verkauf ausschreiben ließ. Ich werde die Käufer des Hauses bitten, sich um die Katze zu kümmern.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-27580814566991610972016-12-02T19:28:00.002+01:002016-12-02T19:28:42.849+01:00Diesmal gibt es Lyrik von Radolfo B. Enzensberger<div class="MsoNormal">
Für Hammer und Meißel wäre er bereit. <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Da sich versteinerte Glieder nicht bewegen.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Unverkennbar, dass er sich nicht verzeiht. <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Doch ein verkrüppelter Besen kann nicht fegen.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Zu vergänglich sind seine Gedanken. Im Gegensatz zu seinen Taten. <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Die Erkenntnis zu warten, <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
und zu stehen,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
ja, wankend,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
zu sehen, dass er mit einem Flehen<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
wusste, dass es Zeit war zu gehen.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Weg von dem, aber dennoch bleiben,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
die Schuhe aus Lehm,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
der Geist zu beneiden.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Nichts zu vermissen, nichts kann zu bleiben verleiten,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
denn die, die er liebt, werden ihn begleiten,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
werden wissen, auch wenn er das Buch ist, sind sie die Seiten.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Als er wieder kam, war er noch immer dort,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
die Wölfe zahm und der Regen fort,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Geld war nur ein Papier, <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
seine Kleidung nur Stoff,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
da war ein ihr ein wir,<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
</div>
<div class="MsoNormal">
und ein nicht wieder ein noch.</div>
Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-53122879554900330652016-11-24T12:18:00.000+01:002016-11-24T12:18:01.786+01:00Früher war mehr AnthrazitIch nehme Fabians Anfang mal als Anlass, mir ebenfalls ein bisschen Vergangenheitsarbeit anzutun. Solche Anfänge sind ja immer auch ein Blick zurück, bevor man sich nach vorne rettet, also habe ich mir einen Vormittag geschnappt und alte Texte ausgegraben, widerwillig gelesen, umgeschrieben, zeitweise verzweifelt, habe mein früheres Ich zwischenzeitlich ziemlich peinlich gefunden, einen ganzen Absatz für immer gelöscht, panisch "löschen rückgängig machen"geklickt, nur um ihn dann endgültig zu verwerfen, mit dem Anspruch: Längen kürzen, Handlung straffen, Sprache aufrauen, Pathos minimieren, und am Ende standen da zwei frisch polierte neue Absätze, von wegen alles auf das Wesentliche reduzieren. Manchmal muss man einsehen, dass ein Text sich damals genau richtig angefühlt hat und mittlerweile nichts mehr davon übrig ist, dann muss man das akzeptieren und ihn im Imperfekt stehen lassen ohne fieberhaft zu versuchen, das Gefühl mit neuen Sätzen zurückzuholen. Und relativ selten gibt es Texte, die irgendwie immer gültig bleiben und ihre Aussage über die Zeit retten, vielleicht weil sie etwas beschreiben, das man immer wieder erlebt oder zumindest in ähnlicher Form erleben könnte, egal ob man frisch 18 oder mittlerweile 26 ist, vielleicht weil sich an der Situation, dem Gefühl, den Umständen seitdem fast nichts verändert hat und die Vergangenheit immer noch in die Gegenwart hineinragt, aber egal warum, das sind die Texte, an denen man noch ein paar Kleinigkeiten ändern kann, die einem vor ein paar Jahren noch nicht aufgefallen sind, aber im Grundriss bleiben sie genau so stehen, wie sie von Anfang an waren, wehren sich sogar ein Stück weit gegen Veränderung, im Zweifel wüsste man auch gar nicht, wie man sie umschreiben sollte ohne das Gerüst einzureißen. Diese Texte sind wie Lieblingssongs, die man über Jahre anhören kann ohne dass sie sich abnutzen würden.<br />
<br />
Viel zu viel Vorrede für einen ziemlich kurzen Text, der sich nicht umschreiben ließ:<br />
<br />
<br />
<div class="MsoNormal">
<b style="mso-bidi-font-weight: normal;">Studie in Anthrazit<o:p></o:p></b></div>
<div class="MsoNormal">
<b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><br /></b></div>
<div class="MsoNormal">
Nur einen Monat. Vielleicht wenn wir mehr gehabt hätten,
etwas mehr als einen angebrochenen Sommer in der Stille Colorados. Vielleicht
wären wir dann mehr gewesen, mehr wie wir und weniger wie Shakespeares Helden,
zermürbt zwischen Mühlen. <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Keine Bilder von Liebe. Nur vereinbarte Unzulänglichkeit,
still fließend im Schatten. Wir ließen uns schweigen für jetzt, Hand in Hand,
aber immer knapp vorbei, vorbei an Verständlichkeit. Und das Glimmen in meinem
Mund, wie ein unregelmäßiges rötliches Atmen. Meine Asche auf ihrem Kleid.
Brandlöcher, die seltsam klaffen. Polyesterreste, kalter Stoff an meiner Haut.
Ich wollte mich in Wolle festkrallen, dickfasrig und kratzig, aber warm dafür.
Ich wollte müde sein dürfen. Benzingetränkte Luft. Die Wolken schlugen Wellen
im Blau, und ihre Augen waren blinde Stürme.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
„Das wars also“ sagte ich und sie nickte nur, mit einem
heimlichen Blick Richtung Uhr, aber es war immer gleich spät, und wir wussten
beide, dass man bei Abschieden nichts richtigmachen kann, nur schon existente Gräben
verbreitern. Und unserer reichte bis knapp hinter den Horizont und dann noch
ein Stückchen weiter, weit genug jedenfalls, um mit gutem Gewissen jeden noch
so kleinen Hoffnungssplitter aus dem Kopf zu operieren. Aber sie, sie hatte die
Hoffnung in ihrem Blick vergessen, neu gemischt mit stiller Wut und Fragen, aber
ich, ich war schon lange nur noch müde, viel zu müde für Erklärungen.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Das warme Kratzen im Hals, blauer Rauch schwärmte die
Bronchien hinab, ich drückte die abgebrannte Zigarette am Bordstein aus und
schnippte sie weg, griff hastig nach meiner Tasche. Ein leises Zischen in der
Nähe, hydraulisches Atmen und staubende Reifen. Ein grauer Streifen im
Augenwinkel, kleiner werdend. Die Leute starrten uns längst an wie ausgestellt,
hinter ihren talgverschmierten Plexiglasscheiben verschanzt. Der Busfahrer warf
seinen leeren Pappkaffeebecher weg und stieg ein. Ihre Hand zuckte leicht bei
dem Geräusch des aufflackernden Motors, ein zittriges Grollen aus blechernem
Bauch. Verkrampfte. Ihr Puls in meiner Hand. Ich versuchte zu lächeln, und ließ
es schnell wieder sein.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
„Schätze, es geht los“, sagte ich leise.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
„Nein“, sie schüttelte langsam den Kopf ohne mich anzusehen
„nein, alles hört auf“<o:p></o:p></div>
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<!--StartFragment-->
<!--EndFragment--><br />
<div class="MsoNormal">
Abblätternder Lack, darunter nackter Rost. Sie hatte ihre
Haare zusammengebunden. Ihre Grübchen fast verstrichen. Ich ließ ihre Hand los.
Wir umarmten uns, ihr müder Kopf an meinem Kinn, die feuchten Wimpern wie ein zartes
Schlagen von Schmetterlingsflügeln an meiner Haut, zwei Zentimeter schräg
rechts über meinem Brustbein. Ich atmete sie ein letztes Mal ein. Ihr Haar roch
wie kalt gewordener Kaffee, schal und bitter. Wir küssten uns nicht, nicht mal flüchtig
auf die Wangen wie gute Freunde, als hätten wir unsere Rollen am Ende nur
zurückgetauscht, nein, wir lösten uns wie Fremde aus einer überstürzten
Umarmung. Ich stieg ein. Der Bus fuhr an, während ich noch durch die Reihen
nach hinten ging. An der Ausfahrt sah ich sie ein letztes Mal, schräg von oben,
halb im Profil. Sie hob eine Hand zum Winken, ließ sie steif wieder sinken. Ich
schloss die Augen und machte sie erst wieder auf, als ich sicher war, dass wir
längst auf der Autobahn sind. Die Stadt zeichnete sich anthrazitfarben in der
Ferne ab und die Sonne taumelte im Sinken schräg in den Bus hinein ohne Wärme
zu spenden. Ich legte den Kopf an die Scheibe und bevor ich einschlief, sah ich
gerade noch, wie die Welt draußen hinter den Gebirgen Stück für Stück im Blau ertrank,
so viel schneller als sonst.<o:p></o:p></div>
<br />
<br />
<br />Matthias Tononhttp://www.blogger.com/profile/01879613573941715060noreply@blogger.com8tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-9321803424331875662016-11-21T14:02:00.000+01:002016-11-21T14:02:37.455+01:00<h2>
Ein Anfang, mein Anfang</h2>
<br />
<br />
Nachdem Bernhard mich eingeladen hat hier mitzuwirken, tue ich das selbstverständlich mit Freuden und Verspätung. Zu meiner Persönlichkeit möchte ich gar nicht zu viel sagen, da es hier anscheinend mehr um so etwas wie Literatur gehen soll. Mal schauen, ob ich da mithalten kann...<br />
<br />
Sollte es trotzdem jemanden interessieren:<br />
www.fabianbader.de<br />
oder Facebook: Fabian Bader<br />
<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj-gTeX5yg4SmyGu5VC01EIxBsphwv-aFLyCNg97zbh_7l7fMsMcOBSBKWW2vx0i1-mI7BVtvab_sbcb330VMZzYG3fuBaL8MaEmTCKKSAuPwB9tI4paI4hKHD1Z5Bxa0NnvYVJsng0Bz0/s1600/13095862_1006211099465238_106787427883574788_n.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="209" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj-gTeX5yg4SmyGu5VC01EIxBsphwv-aFLyCNg97zbh_7l7fMsMcOBSBKWW2vx0i1-mI7BVtvab_sbcb330VMZzYG3fuBaL8MaEmTCKKSAuPwB9tI4paI4hKHD1Z5Bxa0NnvYVJsng0Bz0/s320/13095862_1006211099465238_106787427883574788_n.jpg" width="320" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Nun zu meinem Text:</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Oft komme ich auf die dumme Idee alte Texte ein Jahr später nochmals anzuschauen. Nicht selten werde ich dann von einem Fremdschämen auf diesen jüngeren, mir nun so fern erscheinenden Fabian überwältigt und lösche das Dokument. Ein normaler Dienstag.</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Den nun folgenden Text betrachte ich jedoch anders. Zwar würde er nie wieder so aus meiner Tastatur auf dem Bildschirm erscheinen, doch war dieser Texte der erste mit dem ich so etwas wie öffentliche Aufmerksamkeit erhaschen konnte. Damals die PULS-Lesereihe gewinnen...</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Deshalb offenbare ich euch nun, von eigener Nostalgie verblendet, ein frühes Schaffen und ihr dürft entscheiden mit wie viel Scham ich das zukünftig wieder tun sollte.</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<br /></div>
<h3 style="clear: both; text-align: left;">
<br />#Bachelor of Hearts</h3>
<div class="MsoNormal">
<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
Früher war das hier Heimat. Heute streichen sich gerade
volljährig gewordene Hipster gegenseitig ihre Dreitagebärte und werfen sich
über den Kicker lauthals Beleidigungen zu, die keiner mehr genau versteht. #Lifestyle<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Eigentlich fühle ich mich nicht alt, doch so umzingelt von
zwanzigjährigen Freigeistern, die noch zwei Semester brauchen, bis sie ihren
BWL-Bachelor endlich in der Tasche haben, tragen die roten Lampions des Clubs schwer
zu einer melancholischen Stimmung bei. Über mein genaues Alter rede ich ungern,
doch sagen wir so: wenn eine Frau meine Wohnung über der ehemaligen alten
Filmbühne nicht findet, ist sie eindeutig zu jung für mich. Trotzdem habe ich
noch kein abgeschlossenes Studium oder bin gar einer dieser motivierten Mitzwanzigerdozenten.
Dafür weiß ich, wie peinlich es ist, sich in einer Studentenkneipe über die
Zitrone in seinem Gin-Tonic zu beschweren und nenne die Bib nicht mehr Philosophicum
II. Letztes Semester hat mich so ein kleines Mädchen wirklich gefragt: „Könnte
Sie mir bitte den Weg zum Philosophicum II beschreiben?“ In der Situation war
ich dann so erschlagen von dem Sie, ihrer Kindlichkeit und dem Kontakt zu
Frauen im Allgemeinen, dass ich der Orientierungslosen nur stammelnd empfohlen
habe, eine dazu passende App zu suchen. Ob es die gibt, weiß ich nicht. Keine
Glanzstunde meiner Schlagfertigkeit jedenfalls, obwohl ich sogar einige
Semester Rhetorik studiert habe. Aber, das ist eben der Unterschied zwischen
Uni und dem #Reallife. <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Gerade als ich mit dem Thema abschließen möchte und einen
großen Schluck aus meinem Gin-Tonic nehme, fällt mir wieder ein, was ich vor
kurzem in der <i>Welt</i> gelesen habe: über
die Hälfte der Arbeitgeber sind mit den frisch angestellten Bachelorabsolventen
unzufrieden. Diese bringen zu wenig work experience mit. Neben der Tatsache,
dass Wörter wie work experience nichts in der deutschen Sprache zu suchen
haben, bin ich der festen Überzeugung, die Arbeitgeber vermissen eher so etwas
wie Lebenserfahrung bei den Anfang Zwanzigjährigen. Aber die können sie gar
nicht haben, wenn man ein Jahr Gymnasium streicht, den Wehrdienst abschafft und
versucht die Kürzung der Regelstudienzeit durch den freiwilligen Erwerb von
Softskills auszugleichen. Ich persönlich besitze keine zertifizierten
Softskills und in dunklen Stunden, auf meinen späten Heimwegen durch die
schmalen Gässchen Regensburgs, frage ich mich manchmal, ob mich das zu einem
schlechten Menschen macht. #SadMoments<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Nächster Gin-Tonic, neuer Gedanke: Einer dieser laissez
faire Vertreter bin ich dann aber auch ganz und gar nicht. Wenn so ein
Schmalspurphilosoph wie Richard David Precht wieder einmal Aufmerksamkeit
braucht und ohne Ahnung vom Bildungssystem erklärt, die Universität solle auch
vermitteln, eigenverantwortlich zu entscheiden, wann man faul sein darf, rege
ich mich sofort furchtbar auf. Nicht nur, dass verantwortlich und faul einen
Gegensatz bilden, nein, ich stelle mir dann immer vor, wie das in Deutschland
aussehen würde: Ein Pflichtseminar <i>„Wann
darf ich faul sein“, </i>geleitet von einem fünfundzwanzigjährigen
Masterabsolvent mit Multiple-Choice-Test am Ende des Semester. #Bolognareform. <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Nach einem letzten, abschließenden Beruhigungs-Gin-Tonic,
komme ich für mich zu dem Schluss, dass weder 180 ECTS-Punkte noch
eigenverantwortliches Unischwänzen ausreichen, um aus mir so einen echten Erwachsenen
zu formen. Was es dafür braucht, weiß ich einfach nicht. Deshalb starre ich
etwas hilfesuchende auf den Boden meines leeren Drinks, doch auch hier finde
ich keine ehrliche Antwort. <o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
Dann wird es wohl ein großes Abenteuer - mit Verlängerung
der Regelstudienzeit.<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
#Bachelor of Hearts<o:p></o:p></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both;">
</div>
<div class="MsoNormal">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<br /></div>
Schreibaderhttp://www.blogger.com/profile/12974520735504826333noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-8637538162004656532016-11-10T15:49:00.001+01:002016-11-10T15:49:47.761+01:00Amy in Iphofen - Eine Hommage<div style="border-bottom: solid #4F81BD 1.0pt; border: none; mso-border-bottom-themecolor: accent1; mso-element: para-border-div; padding: 0cm 0cm 4.0pt 0cm;">
<h2>
Die Ernte</h2>
<div class="MsoTitle">
<o:p></o:p></div>
</div>
<div class="MsoPlainText">
<br /></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Amy
entwickelte einen Heißhunger, kurz bevor sie mit ihrem Kleinen schwanger wurde.
Kurz bevor sie Werner zur Welt gebracht hatte, wurde Amy verrückt nach
Weintrauben und verschlang Mittags die Reben - wer kann sagen, wie viele?- bis
wir erwarteten, dass die Trauben zu Wein vergoren und sie torkelnd durch den
Tag flog - ein Weinfest im Bauch. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Die
Trauben ließen Amy nach Einbruch der Dunkelheit nervös werden, wegen ihnen
dachte sie über Kinder nach und war entsetzt, als das Ei nicht abging, und eine
Stimme in ihr schrie: "Amy, jetzt komm zur Besinnung, verfickte
Scheiße!"<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Zwei
Jahre später waren wir zu Gast auf einem Weinberg. Das andere Paar war
verheiratet und hatte zwei Kinder. Wir verglichen unsere Hochzeitsringe, ihrer
war schöner, aber rutschte ihr vom Finger und der Juwelier versicherte ihr, man
könne ihn nicht verengen, man empfahl ihr, einen neuen zu kaufen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Die
Bergers, Greta und Paul, entwickelten in gewisser Weise einen eigenen
Heißhunger. Sie stellten fest, dass sie Äpfel mochten und immer wenn sie in
einen Apfel bissen, machten sie ein Schauspiel daraus, als seien sie die ersten
Menschen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Zu
diesen Abendessen kamen sie immer zu spät und das Personal warf ihnen böse
Blicke zu und beide röchelten wie Asthmakranke. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">"Auf
dich, Du Muschi", sagte sie dann und hob ihr Glas.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Wir
sahen ihnen von unserem Tisch aus zu, auf dem eine einsame Blume stand, die von
einer flügelschlagenden Motte umkreist wurde. Es war Paul, der uns erzählte,
dass die Motten nur einen Tag lang lebten. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Eines
Tages spazierte ich auf den Weinberg und beobachtete die in der Abendsonne
flirrenden Silhouetten, die auf den Serpentinen wanderten. Ich folgte
derjenigen, die für mich von Bedeutung war, folgte ihr zu einer Aussichtsbank,
sah der Frau auf der Bank zu, wie sie ihm die Hand reichte und ihn an sich zog.
<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Dann
sah ich, wie sie aus den Schutz der Weinreben auf mich zu ging und erkannte
meinen Fehler. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">An
diesem Abend, als wir uns die historische Gruft anschauten und rauchten,
beobachtete ich Amys Gesicht, als sie von ihrem - ich möchte sagen
"anderen" Leben erzählte. Ich hatte den Eindruck, dass es Paul
störte, als Amy "er" sagte und ihn meinte. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Die
Bergers mit ihrer moralisierenden Botschaft waren dazu bestimmt, mit dem Finger
auf andere zu zeigen. Ich konnte ihnen nichts abgewinnen, sie waren zu einem
Eheseminar gemeldet.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Natürlich
luden sie uns ein, Sternschnuppen anzuschauen. Das war berechnend von ihm, das
sah ihm ähnlich. Wir saßen am Ufer und während die anderen sich mit ihren
Smartphones vertraut machten, blickten wir ertappt in das Blitzlicht. Wir
schauten sie an, die Arme umeinander und wendeten uns den beiden entgegen. <o:p></o:p></span></div>
<br />
<div class="MsoPlainText" style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "Arial",sans-serif; font-size: 12.0pt;">Auf
dem Foto scheint es, als sei mir die Kraft aus dem Körper gefahren. Ich sehe
die beiden nicht an. Ich sehe nach unten, wo ein Ring im Gras liegt, ein
angebissener Apfel und Kerne von Trauben, von Weintrauben. <o:p></o:p></span></div>
Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-19552301929909163122016-11-02T11:12:00.001+01:002016-11-02T11:12:30.757+01:00Zwischen den TagenNatürlich haben wir auf die ewige Jugend geschworen, und sie am Ende jedes Mal verflucht. Immer dann, wenn wir zurückfinden mussten, zurück in irgendeinen schalen Alltag, wie aus Nestern gefallene Vogelkinder. Wir lagen zwischen grünen Wolken im Herbsttau, vom Gin im Vorbeigehen angeritzt, saßen auf Eisenbahnbrücken im letzten Licht und wussten, die Tage gehen zur Neige und die Nächte machen uns träge und trüb. Viel weiter in die Nacht, als alles schwarz und versöhnlich war und der neue Tag schon im Anschlag, brach der Regen aus den Wolken und in meiner Erinnerung ist er fast warm auf der Haut, warm und überall zugleich, neben der Dürre im Mund. Und Ella stand da, mit ihren Armen und Augen im Himmel, stand schräg über mir, so schmal und fragil, jedes Lächeln ein Tasten nach Nähe, mein Herzschlag knapp über dem Boden, kaum mehr als ein Stammeln im Dunklen. Ihre raue Pergamenthaut, nikotingealtert, über Sehnenfäden gespannt, bläuliche Venenzweige knapp unter der Haut. Ihre fehlende Mitte, in jedem Satz, der aus dem Nichts ganze Städte baut und im Nebensatz wieder einreißt. Ihre Verachtung für Routine und Gleichmäßigkeit, Ella ist einer dieser Menschen, die nicht stillhalten können, also erzählt sie alles von sich, aber konsequent in der dritten Person, kommentiert ihr eigenes Leben, ist nur still, wenn der Schlaf sie unterbricht. Irgendwann drehte sie sich um, sah mich an, sagte: "Kennst du Berlin?" und 2 Stunden später saßen wir hinter Fernbusscheiben und glitten über nachtgraue Autobahnen. Es war mein erstes Mal Berlin, aber nach einem knappen Tag waren zwei Sachen klar:<br />
Erstens, in Berlin ist man schon Außenseiter, wenn man einen festen Job hat.<br />
Zweitens, in Berlin ist man immer allein, immer.<br />
Mehr muss man nicht wissen. Ella liebte die Stadt, liebte die Beliebigkeit, die Oberflächen und wie die Menschen in den Straßen der Stadt versickern. Wir saßen auf einer Mauer in Kreuzberg, rauchten schweigend Kippe um Kippe, hörten Snow Patrol, jeder mit einem Ohrstöpsel im Ohr, und schauten zu, wie die Menschen in Busse steigen, lachen, mit Smartphones streiten, auf Dates warten und versetzt werden, wie sie hoffen und zweifeln, küssen und straucheln, sich nach dem letzten Bier vergebens zusammenreißen, sich finden und vermissen, und irgendwann kippte Ellas Kopf auf meine Schulter, ihr Haar an meinem Hals und auf halbem Weg in den Schlaf "Können wir hier bleiben, Sam? Nur für immer oder auch länger." Ihr Atmen wurde langsam und regelmäßig, ich schloß meine Augen, flüsterte "Bleiben klingt gut" und dachte '<i>Am Ende des Tages haben wir die gleiche ausfransende Poesie im Kopf, die gleichen Farben und Songs, dann gibt es fast nichts, was uns trennt.'</i>Matthias Tononhttp://www.blogger.com/profile/01879613573941715060noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-41578044621781414952016-10-25T10:21:00.000+02:002016-10-25T10:21:31.872+02:00AnfängeMan weiß ja, was man über Anfänge sagt, aber dass es am Ende immer noch viel schlimmer ist, das sagt einem natürlich keiner. Dieses innere Sortieren, positionieren und dann nicht vollständig überflüssig klingen wollen. Aber am Schluss braucht es primär Mut und den einen Moment, in dem man "ja" sagt, egal was man anfängt, ob Beziehungen oder einen Ort für Autoren, an dem sie Ideen abladen, Perspektiven tauschen und Sätze ausprobieren, abseits von Konventionen und Kontextfetischisten. Kreativität beginnt da, wo keine Einschränkungen sie ersticken, wo Befindlichkeiten und Klischees, Prosa und Lyrik, Naivität und Authentizität nebeneinander existieren dürfen und ernstgenommen werden.<br />
Klar, klar kann man tagelang über Proust und Mann diskutieren und kilometerweite Schachtelsätze hin und her schieben, bis jeder einen schlauen Satz aus dem Zauberberg auswendig kann, für den Fall, dass auf der nächsten Party plötzlich ein Literaturwissenschaftler auftaucht, das bringt dann aber halt keinem was, außer geheuchelter Exklusivität. Also halten wir uns an echte Themen, schreiben über die kleinen Alltagslügen, die Schrammen und Funken, das verdammte Glück und Ernüchterung, also alles, was uns treibt.<br />
<br />
Zeit, etwas ins Rollen zu bringen<br />
<br />Matthias Tononhttp://www.blogger.com/profile/01879613573941715060noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-7915593996678611072016-10-11T19:23:00.001+02:002016-10-11T19:23:35.211+02:00Zum Einstieg eine Kurzgeschichte<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Georgia, Times New Roman, serif;">Der Ralf hat enttäuscht gefragt, ob die Schreibbohéme nur blitzgescheites Kulturgeschwafel in ihr Moleskine kritzelt und keine Kurzgeschichten einstellt.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Georgia, Times New Roman, serif;">Dem muss gleich widersprochen werden. Natürlich werden auch Texte reingestellt!</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: Georgia, Times New Roman, serif;">Ich fang mal an:</span></div>
<span style="font-family: Georgia, Times New Roman, serif;"><br /></span>
<h2>
<span style="font-family: Georgia, Times New Roman, serif;">Wild und lustig</span></h2>
<div>
<span style="font-family: Georgia, Times New Roman, serif;"><div style="text-align: justify;">
Wild und lustig. Wild und lustig sind wir. Sagen sie. Sind wir. Lust. Wild. Oder so. Was weiß ich. Wenigstens am Wochenende. Immerhin. Wer weiß, wie lange noch. </div>
<div style="text-align: justify;">
Da stehen sie an der Bar. Dort tanzen sie. Wo sind wir eigentlich? München oder Wien? Eigentlich egal. Nachts sehen alle Clubs gleich aus. Ein Typ bestellt sich Gspritzten. Wien. Eindeutig Wien. </div>
<div style="text-align: justify;">
Wo sind die anderen? Wieder auf dem Klo. Oder auf der Tanzfläche. Jetzt schaut sie mich an. "Noch ein Cuba Libre bitte." Ich mochte immer die Freiheit, die in diesem Getränk mitschwingt. Da, schon wieder dieses Lied. "Weiß irgendwer, von wem das ist? Scheiße Mann, wer ist das?" Wanda, war das nicht diese Schlampe? Wo ist eigentlich Greta? Vielleicht bei den anderen. Es ist spät. So spät auch wieder nicht. Es ist zu spät. Nicht für die anderen. Die haben die Jugend aus Löffeln gefressen und reiben sich Augen und Nase, wie geil ihr Leben ist und feiern sich dafür. Greta kann nichts dafür. Jung und schön. Scheiß Kombination. Aber sind sie nicht alle schön, wenn sie jung sind? Ja, feiert euch und eure Jugend. Ihr könnt mich mal. </div>
<div style="text-align: justify;">
"Greta?" Da tanzt sie, die gespreizten Finger in der Luft, die Typen um sie herum. Die anderen werden sie mal heiraten und mit ihr Kinder kriegen. Solche Sachen denke ich um diese Zeit und denke darüber nach, warum ich sowas denke. Aber schön ist sie, wenn sie tanzt. Schön in diesem künstlich blinkenden Licht der Nacht. Licht, das alles anders macht. Ich werds den andern erst morgen sagen. Greta wird's schon irgendwie erfahren. Sie wird's toll finden. Die anderen werden es nicht kapieren. Greta schon. Aber sie wird sich nichts anmerken lassen. </div>
<div style="text-align: justify;">
Die anderen sind halt so. Bierbong, Schnaps, ab aufs Klo, dann wieder Schnaps und am Schluss nur noch die Musik, mit geschlossenen Augen tanzend, Bierflasche in der rechten Hand. Die Tschick in der linken. Früher jedenfalls. Sowas kennen die andern gar nicht mehr.</div>
<div style="text-align: justify;">
Gretas Lippenstift schmeckte immer nach Erdbeer. Das war komisch. Das ist das einzige, was komisch ist an ihr. Und dass sie trotzdem gesagt hat, ich passe gut mit Marie zusammen. Das hätte sie nicht tun brauchen. Das war überflüssig, wenn auch nett gemeint. So kurz danach. </div>
<div style="text-align: justify;">
Die anderen haben sowas nie gesagt. Aber die denken über sowas auch nicht nach. Für die ist es normal, am Sonntag in den ICE zu kotzen, oder den Tag in verdunkelten Schlafzimmern totzuschlagen bis das Hämmern in den Schläfen matter wird. </div>
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Ich kann sicher nicht mit meiner Cousine schlafen. Verdammter Ohrwurm. Greta hat nur bedauert, dass Zeiten sich ändern. Dass es im Winter kälter ist als im Sommer und so Sachen. Ansonsten hat sie immer gesagt, das Leben soll so bleiben, wie es ist. Am liebsten für immer. Und dann hat sie zwei Sambuca auf einmal hinunter gekippt, die leeren Schnapsgläser auf die Theke geknallt und die Kaffeebohnen auf den Barkeeper gespuckt. Sowas liebe ich an ihr. Auf sowas muss man erstmal kommen. </div>
<div style="text-align: justify;">
Das mit den anderen, das hatte sich so ergeben. Ich war damals schon eine Weile mit Marie zusammen. Es ist nicht so, dass mir langweilig war oder so. Aber es war immer lustig mit denen. Marie war's egal. Und als es ihr nicht mehr egal war, war das mit Greta längst da und das Leben wild. Und lustig. Was auch immer das bedeutet. Und verbieten lasse ich mir schon gleich gar nichts. Ist mir doch egal, ob das altersgemäß ist, oder nicht. Und peinlich hat es sich schon dreimal nicht angefühlt. </div>
<div style="text-align: justify;">
Greta schaut mich so komisch an. "Nein, ich grüble nicht! Ich sinniere!" Als ob das einen Unterschied machen würde. Gretas Wangen riechen nach diesem Parfum, von dem sie weiß, dass es mich wahnsinnig macht. </div>
<div style="text-align: justify;">
Ich frage mich, was sie sagt, wenn ich es ihr sage. Ob sie sagt, sie solle es wegmachen. Ob sie ausflippt oder so. Manchmal wünsche ich es mir. </div>
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Aber Greta ist wie die anderen. Sie nehmen mich auf, ich bin ein Teil dieser Woge, Wochenende für Wochenende. Aber wenn ein Wassertropfen fehlt, verliert die Woge nicht an Wucht. Zwei Euro in das Phrasenschwein. </div>
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Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wer ich dann bin. Und dass ich nichts gecheckt habe solange. Und warum sie so lange nichts gesagt hat. Viel geweint hat sie, aber so sind sie halt, die Frauen, dachte ich mir. Greta ist nicht so. Oder gibt sich nicht so. Nicht mir. Werd es nie herausfinden. Außer sie flippt auch aus, schlägt wie wild um sich, schreit und heult und fleht. Träumerei. Scheiße so oder so. </div>
<div style="text-align: justify;">
"Ich? Cuba Libre. Was sonst?" Greta sieht am Morgen schöner aus als am Abend. Das wollte ich ihr immer sagen. Hab's aber vergessen. Jetzt ist es zu spät. Ihre Haare liegen dann wild und zerwurschtelt über ihre Wangen. Sie schaut mich an. Den Blick kenne ich. Ich könnte kotzen. Nicht heute. Nicht dieser Blick. Wer bist du eigentlich? Sofort sind sie wieder da, die Tiefgarage, der Park und dieses Appartement, in dem es immer nach Essen roch. Nach dem Abendessen der Familie im Parterre. Es roch immer so gut, dass einen der Geruch fast mehr freute, als das, was man drinnen erhoffte. </div>
<div style="text-align: justify;">
"Marie ist schwanger." Ich sage es, ohne irgendeine Reaktion provozieren zu wollen. Ich sage es mehr als Transport einer Information. Ich sage es zu mir selbst, falls ich es bis jetzt noch nicht begriffen habe. Ich sehe, wie die anderen mich anstarren, als hätte ich die Krätze oder sowas. </div>
<div style="text-align: justify;">
Greta lächelt. Sie umarmt mich. Sie küsst mich auf die Wange. "Der Jonas wird Papa! Wie schön! Gratulier dir!"</div>
</span></div>
Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-8706670250731499910.post-81519490845856475952016-10-09T13:26:00.003+02:002016-10-25T19:04:08.255+02:00Lass uns eine Schreibbohéme gründen!<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">In der deutschen Literatur war die "Gruppe 47" das Maß aller Dinge. Lasst uns deshalb eine neue "Gruppe 47" gründen!</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">Wie bitte? Völlig meschugge geworden? </span></div>
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<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">Schau dir doch die Typen mal an: Lauter verstrahlte, komplett humorlose alte Knacker und Nobelpreisträger. Und außerdem ist das Prinzip Autorenvereinigung sowas von 1947! Nee du, das ist nix für uns. Gab's da nicht später noch was anderes, was cooleres?</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">Eine coole Autorenvereinigung gab's leider nie. Aber einige der coolsten Autoren machten Anfang 2000 bei einer Internetseite mit, die hieß <a href="http://www.hoeflichepaparazzi.de/">"Wir höflichen Paparazzi"</a>. Eigentlich wurden da nur seltsame Texte über Begegnungen mit Prominenten Online gestellt. Aber die Kommentare hatten es in sich und unter Decknamen machte damals eine supertolle Truppe von Autoren mit, die bis heute noch zum Beispiel beim Bachmannpreis für Gesprächsstoff sorgen. Vor allem, weil sie den Bachmannpreis und den gesamten archaischen Literaturbetrieb sowas von auf die Schippe nahmen. Das geschriebene Wort aber gleichzeitig sehr ernst.</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">Gut, die waren fast alle aus Berlin, Hamburg oder Wien. </span></div>
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<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">Aber kann man nicht auch vom Chiemsee aus sowas starten? Als sich letztens ein junger Schriftsteller beklagte, dass er nie in die Großstadt ging, fragte ihn der Indietronic-Künstler vom Nachbardorf: "Wieso? Hast du kein gscheites Internet?"</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">Stimmt eigentlich. </span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">Texte über seine Schreibprojekte, über die Bücher die man liest und Blogbeiträge über die Kulturszene kann man auch von zu Hause aus in die Welt schicken. Ach so, das machst du schon seit Jahren und kaum einer liest es? Dann frag doch mal deine Autorenkumpel, ob die mitmachen möchten. Am besten so junge Autoren, die schon einen der coolen Schreibwettbewerbe gewonnen haben. Die Puls Lesereise zum Beispiel. Oder den Wortlaut. Frag doch die mal. Wenn die mitmachen, dann werden sich auch interessante Leser finden. Und unter denen ist vielleicht einer dabei, der seinerseits mitmachen möchte...</span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;">Und wer sollte da mitmachen dürfen? Also man muss jetzt nicht den kompletten Proust gelesen haben und beim Open Mike auf die Longlist gekommen sein. Vielleicht reicht es auch schon, wenn man definitiv NICHT bei der Gruppe 47 mitmachen möchte. Gibt's die eigentlich noch?</span><br />
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "georgia" , "times new roman" , serif;"><a href="http://schreibboheme.blogspot.de/p/manifest.html">Das Manifest der Schreibbohéme</a></span><br />
<br />
<a href="http://schreibboheme.blogspot.de/2016/10/zum-einstieg-eine-kurzgeschichte.html">Der erste Beitrag: Eine Kurzgeschichte!</a></div>
Bernhard Straßer http://www.blogger.com/profile/15157310726917916823noreply@blogger.com2